Literatur Literatur: Der Dichter Adolf Endler wird 75 Jahre alt
Berlin/dpa. - Der Lyriker, Prosaautor und Essayist wird amDienstag (20. September) 75 Jahre alt. Zu DDR-Zeiten musste er vieleinstecken, zähmen ließ er sich nicht. Der «Eulenspiegel», wie ihnLiteraturkritiker mitunter nennen, wurde über Jahre so gut wie nichtgedruckt, aber die Feder gab er deshalb nie aus der Hand.
Bereits mehrfach kramte der Autor für seine nach der Wendevorgelegten Bücher in «Kartons und Seesäcken», in denen die im SED-Staat unerwünschten Schreibarbeiten überwiegend gelandet waren. Seineheiter-sarkastischen Betrachtungen aus einem untergegangenen Staat,veröffentlicht im neuesten Werk «Nebbich. Eine deutsche Karriere»,sprechen jeder DDR-Nostalgie Hohn. In der «Autobiografie inSplittern» versammelt Endler unter anderem skurrile Tagebuchblätter,zeitkritische Glossen, bitterböse Collagen und essayistischePorträts. Durch die Seiten geistern ein weiteres Mal die beidenraffiniert-witzigen Antihelden Bubi Blazezak und Bobbi Bergermann,Potenzierungen eines Alters Ego seit Ende der 70er Jahre.
Auf «Nebbich» als «komplexes Gesellschaftsgemälde», von Endler vonMal zu Mal in acht oder 13 Bänden angekündigt, lohnt es sich nichtzu waren. Er plane nur noch ein «winziges Buch über alle Geschichten,die ich schreiben wollte und nicht geschrieben habe, aber hätteschreiben können», sagt Endler dpa.
Geboren in Düsseldorf, siedelte Jungkommunist Endler 1955 in dieDDR um. Er studierte am Leipziger Literaturinstitut Johannes R.Becher. Nach anfänglichen Agit-Prop-Gedichten des «sozialistischenSängers» in Nachfolge eines Majakowski stieß er schnell an dieGrenzen diktatorischer Machtausübung. 1979 wurde er zusammen mitanderen ostdeutschen Literaten, die gegen die Ausbürgerung WolfBiermanns protestiert hatten, aus dem Schriftstellerverbandausgeschlossen.
Mit Büchern wie «Ohne Nennung von Gründen» (1985) oder«Schichtenflotz. Papiere aus dem Seesack eines Hundertjährigen»(1987) machte sich Endler im Westen einen Namen, während er im Ostengegen die Willkür der Zensur anrannte. Als ersten Gedichtband lässter bis heute «Das Sandkorn» (1974) gelten. Sand wollte er insGetriebe der DDR werfen. Bis zum Erscheinen einer erstenrepräsentativen Gedichtssammlung vergingen nach dem Mauerfall nocheinmal zehn Jahre. «Der Pudding der Apokalypse» enthält auch jeneTexte, mit denen der unangepasste Lyriker das SED-System attackierthatte. «Ich bin einer der wenigen ostdeutschen Autoren, die im Ostenwie im Westen einen Fan-Kreis haben», freut sich Endler heute. Nachvielen Jahren des Herumziehens ist er im Berliner Stadtteil Pankowsesshaft geworden.
Endler kurvte, wie er einmal bekannte, auf einer «halsbrecherischanmutender Zickzackroute» nicht nur zwischen den «extremen Polensozialistischer Realismus und Dadaismus/Surrealismus, sondern auchzwischen Mecklenburg, Oberlausitz, Berlin und Leipzig». InTagebuchnotizen unter dem Titel «Tarzan am PrenzlauerBerg» (1994) hatte Endler ausführlich über das fröhlicheDissidententreiben in Kaschemmen und Hinterhöfen aller Stasi-Ausspähung und Schikane zum Trotz berichtet.