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Literatur Literatur: Begegnungen mit Brigitte Reimann

Von Anett Böttger 21.07.2008, 15:25
Zum 75. Geburtstag der Schriftstellerin Brigitte Reimann (1933-1973) stellt der Kunstverein Hoyerswerda ein Buch mit Zeitzeugenberichten vor. Die meisten der rund 600 Buchseiten sind Reimanns Jahren in Hoyerswerda gewidmet. (Foto: dpa)
Zum 75. Geburtstag der Schriftstellerin Brigitte Reimann (1933-1973) stellt der Kunstverein Hoyerswerda ein Buch mit Zeitzeugenberichten vor. Die meisten der rund 600 Buchseiten sind Reimanns Jahren in Hoyerswerda gewidmet. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Hoyerswerda/dpa. - «Nur der kleine Volker Braun, Abiturientund seit vier Jahren in der Produktion, scheint begabt zu sein»,schrieb die Schriftstellerin Brigitte Reimann (1933-1973) im Februar1960 in ihr Tagebuch. In Hoyerswerda (Sachsen) hatte sich damals einZirkel schreibender Arbeiter gegründet, wo die kritische Autorin denspäteren Kollegen Braun kennenlernte. Der arbeitete seinerzeit alsMaschinist im Tagebau Burghammer, bevor er zum Studium nach Leipzigging. Braun hat seine Erlebnisse mit dem Schriftstellerpaar BrigitteReimann und Siegfried Pietschmann für ein Buch niedergeschrieben, dasder Hoyerswerdaer Kunstverein in diesem Sommer herausbringt.

Unter dem Titel «Was wir auf dem Herzen haben» sind Berichte von59 Zeitzeugen über Begegnungen oder ihr Leben mit der streitbarenAutorin zusammengefasst, die am 21. Juli 75 Jahre alt geworden wäre.An ihrem Geburtstag hat das Werk in Hoyerswerda Premiere. Reimann kam1960 in die Stadt, die danach in rasantem Tempo wuchs. Im Neustadt-Wohnkomplex I bezog sie mit ihrem Mann eine Wohnung und arbeitete imnahegelegenen Kombinat Schwarze Pumpe in einer Rohrlegerbrigade.

In dem unvollendeten Roman «Franziska Linkerhand», an dem sie etwazehn Jahre schrieb, setzte Reimann der Stadt ein Denkmal. «Sie kammit Euphorie und ging mit kritischem Blick weg», urteilt derVorsitzende des Kunstvereins, Martin Schmidt. Überhaupt ging dieAutorin in ihrem Werk häufig auf Distanz zur DDR. 1968 zog sie nachNeubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern), mit erst 39 Jahren starb sie1973 an Krebs. Im Zeitzeugenbuch sind alle Perioden ihres kurzen,aber intensiven Lebens erfasst. Begleiter aus früher Kindheit undFreunde kommen dort ebenso zu Wort wie Schriftstellerkollegen,darunter Reiner Kunze und Helmut Sakowski.

Die meisten der rund 600 Buchseiten sind Reimanns Jahren inHoyerswerda gewidmet. Der Kunstverein scheute keine Mühe, Zeitzeugenausfindig zu machen und ihre Erinnerungen an die Autorin inTonbandprotokollen festzuhalten. So äußerten sich frühereWohnungsnachbarn, eine Schneiderin oder Kollegen aus der Brigade inSchwarze Pumpe. Auf diese Weise soll das im Eigenverlag des Vereinsherausgegebene Buch ein lebendiges Bild der Frau und der damaligenZeit zeichnen.

Die Sammlung der Zeitzeugenberichte füllt eine Lücke, die bishernicht erkannt wurde und demnächst nicht mehr zu schließen ist. Sogingen Erinnerungen an Reimann verloren, weil immer mehr ihrerWeggefährten sterben, findet Angela Drescher vom Berliner Aufbau-Verlag. Sie hat unter anderem Reimanns Tagebücher sowie derenBriefwechsel mit Jugendfreundin Irmgard Weinhofen und derSchriftstellerin Christa Wolf herausgegeben.

«Sie war wahnsinnig fleißig», sagt Drescher über ReimannsKorrespondenz. Nur ein Bruchteil sei bislang veröffentlicht. Zum 75.Geburtstag sind im Aufbau-Verlag gerade Briefe an ihre Elternerschienen. Unter dem Titel «Jede Sorte von Glück» ist auf 460 Seitennachzulesen, was die Autorin Vater und Mutter zwischen 1960 und 1972anvertraute. Drescher glaubt, dass sich diese Neuerscheinung und dasZeitzeugenbuch des Kunstvereins Hoyerswerda gut ergänzen.