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«Lindenstraße» «Lindenstraße»: Kleine Bühne, große Dramen

Von Julia Thiemann 10.12.2010, 21:29

Halle (Saale)/MZ. - Was würden viele Deutsche Sonntagabend machen, wenn sie nicht mit Mutter Beimer weinen oder im "Akropolis" mitdiskutieren könnten? Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums plant die ARD am Samstag eine Sondersendung "Was wäre, wenn...?" sowie eine Kultnacht.

Was wohl aus ihrem verstorbenen Sohn geworden wäre, fragen sich Hans Beimer (Joachim Hermann Luger) und seine Ex-Frau Helga (Marie-Luise Marjan) und schwelgen in Erinnerungen. Für die Geburtstagsfolge erhält Christian Kahrmann alias Benny Beimer 17 Jahre nach seinem Serientod einen Gastauftritt.

"Es war eine sehr spaßige Idee, zu spinnen, was wohl aus Benny geworden wäre." Seine Erinnerung an die "Lindenstraße" ist jedoch zweigeteilt. "Zurückblickend würde ich sagen, dass es sowohl Segen als auch Fluch bedeutet, früh in einer TV-Serie aufzuwachsen." Der Kölner sagt noch weitere 25 Jahre für die kleine Nachbarschaft mit den großen Problemen voraus: "Die ,Lindenstraße' ist sehr ehrlich und lebensnah. Zudem ist sie sehr gut gemacht und neben all den Trash-Sendungen noch Entertainment mit Anspruch. Ich bin sicher, dass sie noch ihren 50. Geburtstag erleben wird." Genau das hat ihr britisches Vorbild "Coronation Street" in dieser Woche geschafft.

Die "Lindenstraße" vor Gericht

Zu der Kultnacht wurde auch Familienministerin Kristina Schröder geladen, deren Medienpräsenz zum Jubiläum einer Familienserie auch politisch begründet ist. Nach eigener Aussage hat sie seit 1993 fast keine Folge der "Lindenstraße" verpasst. Ihre Freude an der Dauerserie kommt daher, dass sie zeige, "wie linke Sozialpädagogen sich das Leben vorstellen."

Und das sei für die CDU-Politikerin "ausgesprochen interessant und unterhaltsam." Dieser satirische Aspekt ist den meisten Serienanhängern wohl bisher entgangen. Einen Gastauftritt wolle Schröder keineswegs, obwohl sie bedauert, dass unter den Bewohnern kein "sympathischer CDU-Parteigänger" sei. "Realistischer kann man eine Sendung gar nicht machen", stellt sie schließlich fest.

Zahlreiche weitere Fans loben die Serie wegen ihrer Realitätsnähe. Nahezu tagesaktuell werden teils sogar kontroverse Themen wie Homosexualität, Rechtsextremismus und Klimawandel in die Handlung aufgenommen. Somit leistete Deutschlands erste Seifenoper oft meinungsbildende Beiträge zu laufenden Diskussionen.

Und regte gleichermaßen neue Debatten an: Als der CSU-Politiker Peter Gauweiler 1988 gefordert hatte, das Bundesseuchengesetz auf Aids-Kranke anzuwenden, bemerkte die Serienfigur Chris Barnsteg: "Gauweiler und Co. - das sind doch alles Faschisten!". Der damalige bayrische Staatssekretär erhob Strafanzeige, das Verfahren endete mit einem Freispruch: Die "Lindenstraße" stehe als künstlerisches Produkt unter einem besonderen Schutz, hieß es.

Für einen weiteren Aufreger sorgte der inszenierte Tod der scharfzüngigen Hausmeisterin Else Kling, gespielt von Annemarie Wendl. Während Else sich ihre Lieblingsserie, natürlich die "Lindenstraße" im Fernsehen ansah, rief ihr maßgeblicher Schöpfer, der Erfinder der Serie Hans W. Geißendörfer, sie zu sich.

Ein wenig Geheimnis braucht's

Mit ihrer Sondersendung startet die "Lindenstraße" in ihr nächstes Vierteljahrhundert - ein realistisches Ziel für eine TV-Serie mit durchschnittlich 3,5 Mio. Zuschauern. Die Moderatoren Götz Alsmann und Christine Westermann laden zu einer dreistündigen Kultnacht ein. Neben zahlreichen Serienschauspielern werden auch prominente Fans, wie Klaus Wowereit und Alfred Biolek, mitfeiern.

Sicherlich werden auch in Zukunft kontroverse Themen in der "Lindenstraße" diskutiert, doch was genau bleibt für Geißdörfer geheim: "Das darf ich nicht sagen und will es auch nicht verraten. ,A weng a Geheimnis braucht's scho noch', tät Else Kling hier sagen."

Die ARD zeigt Samstag 23.15 Uhr eine Sonderfolge, dann die Kultnacht. Die reguläre Folge 1 306 läuft Sonntag 18.50 Uhr.