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Leopoldina in Halle Leopoldina in Halle: Der Umbau hat begonnen

Von Christian Eger 19.12.2003, 17:47

Halle/MZ. - Volker ter Meulen, Würzburger Virologe und Präsident der Leopoldina, präsentierte einen offensiven Auftritt. Die Nationale Akademie, war zu hören, sei notwendig, um Deutschlands Wissenschaft nach außen zu vertreten, vor allem aber, um der sich neu ordnenden Gesellschaft als ein sozusagen intellektueller Wegweiser zu dienen. Ter Meulen sprach von "Politikberatung auf wissenschaftlicher Basis".

Dieses Statement war nicht etwa nur gut gebrüllt, sondern tatsächlich ernst gemeint. Sollte der Wissenschaftsrat, sagte ter Meulen im Februar, seine Zustimmung zum Umbau der Leopoldina geben, müsse man die eigene Kompetenz auf geistes-, sozial- und technikwissenschaftlichem Gebiet sofort durch neue Sektionen erweitern. Der Wissenschaftsrat, ein vom Bundespräsidenten berufenes Gremium mit Sitz in Köln, wird seine Entscheidung in den letzten Januar-Tagen fällen - der Umbau der Leopoldina aber hat längst begonnen.

Am 18. November wählte die Akademie vier Gründungsmitglieder einer zu errichtenden Sektion Kulturwissenschaften - eine nicht nur im Blick auf die Geschichte der Leopoldina spektakuläre Entscheidung. Ziel sei es, die Akademie im orientierenden Blick auf die National Academy of Sciences in Washington "im Fächerspektrum abzurunden". Die erste Wahl fiel auf dieses Quartett: Aleida Assmann, Jahrgang 1947, Literaturwissenschaftlerin in Konstanz, Wolfgang Frühwald, Jahrgang 1935, Literaturwissenschaftler in Augsburg, Jürgen Kocka, Jahrgang 1941, Historiker in Berlin, und Rüdiger Wolfrum, Jahrgang 1941, Jurist in Heidelberg. Jürgen Kocka, Professor für Geschichte der industriellen Welt an der Freien Universität Berlin und Präsident des Berliner Wissenschaftszentrums für Sozialforschung, ist der Mann, dem die Leitung der Gründung in die Hände gelegt wurde. Kocka hält den Einzug der Kulturwissenschaften in die Leopoldina für eine "vorzügliche Idee", die im Zug der Zeit liege, nämlich dem, Natur- und Kulturwissenschaften integrativ zu vernetzen. Das sei längst fällig gewesen, erklärt Kocka im Gespräch mit der MZ. Grundfragen der Naturwissenschaften seien ohne den Rat des Geisteswissenschaftlers nicht mehr zu lösen: Fragen der Ethik im Bereich Biomedizin genauso wie Anfragen an die Objektivität unseres Wertebezugs. Den Einzug der Kulturwissenschaften in die Leopoldina sieht Kocka aber in erster Linie als eine innovative Entscheidung im Blick auf die Profilschärfung als naturwissenschaftliche Akademie, nicht als eine vorauseilende, sich selbst als Nationalakademie empfehlende Maßnahme.

Braucht Deutschland eine Nationale Akademie? Kocka hält eine solche Einrichtung als eine zentrale Vertretungskörperschaft nach innen und außen für sinnvoll. Allein: "Man muss es nicht haben, man kann es haben. Und wenn man es hat, ist es sicherlich kein Nachteil." Sollte der Wissenschaftsrat grünes Licht geben, sei es längst nicht klar, sagt Kocka, dass die Wahl notwendig auf die Leopoldina falle. Zudem sei eine zentrale Akademie bislang in der föderalen Struktur nicht vorgesehen gewesen.

Letzteres ist kein Hindernis. Im Deutschen Wissenschaftsrat gibt es eine Arbeitsgruppe "Nationale Akademie", die von dem Berliner Physiologen Günter Stock geleitet wird. Sollte sich das Gremium, teilte ein Sprecher des Wissenschaftsrates mit, für eine Nationale Akademie entscheiden, würde es das juristische, finanzielle und institutionelle Procedere gleich mitliefern. Am zweiten Februar wird die Entscheidung bekannt gegeben.