Landkreis Leipzig Landkreis Leipzig: Fundgrube für Archäologen

Leipzig/dpa. - Es ist auf den ersten Blick nicht viel, was dieArchäologen als Überreste des abgebaggerten Tagebauortes Heuersdorfpräsentieren: Ein paar Glasfläschchen, einige Ringe, ein goldenesArmband hat Chef-Ausgräber Dirk Scheidemantel am Dienstagabend inLeipzig für die Öffentlichkeit ausgebreitet. Spektakuläre Funde sehenanders aus. Trotzdem ist Scheidemantel begeistert bei der Sache. Die«gesamte Siedlungsgenese» eines westsächsischen Dorfes könne manjetzt nachvollziehen, sagt er. Die Wurzeln von Heuersdorf und desbenachbarten eingemeindeten Großhermsdorf liegen demnach vor 1200.
Besonders ausgiebig widmet sich Scheidemantel der Taborkirche vonGroßhermsdorf. Das schlichte Gotteshaus wurde am 22. November 2008entweiht und im Juni 2010 abgerissen. In der Zeit dazwischenförderten die Archäologen und Denkmalpfleger Bemerkenswertes über dieKirche zutage. Demnach war sie mit einem vermutlichen Baujahr um 1220einige Jahrzehnte älter als die Heuersdorfer Emmauskirche, die imHerbst 2008 mit viel Aufwand nach Borna umgesetzt wurde. DieTaborkirche sei ein Zeugnis «frühen Kirchenbaus in Westsachsen», sagtDenkmalpfleger Thomas Brockow. Und sie sei die 18. Kirche, die demBraunkohlentagebau südlich von Leipzig zum Opfer gefallen ist.
Rund um die Kirche haben die Archäologen den Friedhof untersucht.Bis zu fünf Bestattungen übereinander hätten sie gefunden, berichtetScheidemantel. So könne man die Bestattungsriten der jeweiligenJahrhunderte sehr gut nachvollziehen - von schlichten Beerdigungenohne Grabbeigaben in der frühen Neuzeit bis hin zu einer«ausgeprägten Beigabensitte» in der Weimarer Republik und in derNazizeit, als den toten Dorfbewohnern auch mal Kriegsauszeichnungenmit in den Sarg gelegt wurden.
Etwa neun Zehntel der Ausgrabungsflächen seien inzwischenabgearbeitet, sagt Landesarchäologin Regina Smolnik. Heuersdorfselbst hat der Tagebau «Vereinigtes Schleenhain» inzwischenverschluckt. Die Reste von Großhermsdorf werden bis Ende des Jahresunter die Bagger geraten. Dann werden die Dörfer nur noch in derErinnerung und in den Archiven der Archäologen und Denkmalpflegerweiterleben - allerdings besser dokumentiert als viele andere Orte,die in früheren Jahrzehnten der Kohle weichen mussten.