Kurt-Weill-Fest Kurt-Weill-Fest: Die Verfolgung der anderen Klänge
DESSAU/MZ. - Es war doch nur ein kleines Lied, ein beschwingtes und eingängiges dazu - und doch wurde es von den Machthabern wie eine staatsfeindliche Parole behandelt: Weil der Komponist Werner Richard Heymann und sein Textdichter drei Jahre nach ihrem Ufa-Filmerfolg "Die Drei von der Tankstelle" von den Nationalsozialisten als Juden diffamiert und mit Berufsverbot belegt worden waren, durfte auch das von Lilian Harvey und Willy Fritsch zum Volkslied veredelte "Liebling, mein Herz lässt Dich grüßen" ab 1933 nicht mehr gesungen werden. Dass Operetten wie "Die Blume von Hawaii" und "Schwarzwaldmädel" dieses Schicksal teilten, zeugt von der ästhetischen Paranoia einer Zeit, die eine krude Rassenlehre bis in den Bereich der Musiktheorie ausdehnen wollte.
Woher dieser Wahn rührte und wohin er führte, zeigt nun die Ausstellung "Das verdächtige Saxophon", die anlässlich des Kurt-Weill-Festes in der Dessauer Sparkassenzentrale Station macht. Auf eine seltsame Art scheint gerade dieser nüchterne Funktionsbau geeignet, einem Problem zu begegnen, das von seinen Verursachern wie von deren Kritikern mit höchster Emotionalität aufgeladen worden ist. Denn einerseits wurde die systematische Diffamierung der Klassischen Moderne, die 1938 in der Düsseldorfer Ausstellung zur "Entarteten Musik" gipfelte, von vornherein als Kulturkampf betrieben - als Abrechnung der Epigonen mit den Erfolgreichen. Andererseits führt die Stigmatisierung dieser Künstler bis heute dazu, dass die Rezeption ihrer Werke zu Recht nie ohne den Hinweis auf deren Schicksal auskommt.
Auf den Tafeln wird die Vorgeschichte von Richard Wagners Polemik über "Das Judentum in der Musik" her beleuchtet - einer Schrift, die den originären Beitrag der jüdischen Kultur zur Musikgeschichte in den Bereich der Synagoge verwies und so berühmte Zeitgenossen wie Giacomo Meyerbeer oder Felix Mendelssohn-Bartholdy nachhaltig beschädigte.
Dass es den Verfolgern der vermeintlich "entarteten" Künstler in der Weimarer Republik um so leichter fiel, Gehör bei Adolf Hitler und seinen Sachwaltern zu finden, lag natürlich auch an deren Begeisterung für den Bayreuther Meister. Einer der eifrigsten Scharfrichter, der Weimarer Dramaturg Hans Severus Ziegler, sollte schließlich zum Urheber der Ausstellung über die musikalischen Gegner werden. Dass er nicht nur nie zur Verantwortung gezogen wurde, sondern noch in den 60er Jahren Polemiken gegen die Kasseler Documenta und Günter Grass publizieren durfte, bezeugt die Kontinuitäten im westdeutschen Kulturbetrieb jener Jahre. Wie demagogisch die Nationalsozialisten die Selbstdarstellung der Avantgarde gegen die Künstler selbst ausspielte, beweist das Plakat zur Ausstellung über "Enartete Musik". Es zeigt den Originalentwurf für Ernst Kreneks Oper "Jonny spielt auf", auf dem 1928 ein schwarzer Musiker mit einem Saxophon zu sehen war. Zehn Jahre später hatte man ihm noch einen Davidsstern ans Revers geheftet.
Bis 18. März: zu den Öffnungszeiten der Sparkasse