Kunstprojekt Kunstprojekt: Lockruf der Zikaden in Halle
Halle (Saale)/MZ. - Nein, soweit sind wir noch nicht, Klimawandel hin oder her, wird der naturkundlich Gebildete ausrufen: Zikaden in Halle, das wäre ja noch schöner! Aber es geht ja um ein Kunstprojekt, das allerdings mit Singzikaden zu tun hat - und mit einem Museum auch, von dem nicht nur seine künftigen Hausherren träumen. Wenn es das endlich gibt, wird es wirklich noch schöner geworden sein in der an Kultur, Wissenschaft und Kunst nicht eben armen Stadt Halle.
Damit dieser Traum vom Naturkundlichen Universitätsmuseum aber in Wirklichkeit schon einmal ein helles Zeichen setzt, wird heute um 19 Uhr am Friedemann-Bach-Platz 6 in Halle eine kleine, aber sehr delikate Ausstellung eröffnet, ab morgen steht sie zur Besichtigung offen. "Cicadas" heißt die mit Unterstützung der Kulturstiftung des Bundes entstandene Schau, die als Schaufenster des Museums wirken, also Neugier beim Publikum wecken soll. Und wie!
Passanten wird immerhin schon aufgefallen sein, dass, hat man die Moritzburg im Rücken, an der linken Seite des steinernen Gebäudes eine helle Treppenkonstruktion nach oben, ins Hochparterre führt. Dieses wird der Zugang zu den "Cicadas" sein, um schon durch den Auftritt das Besondere der Situation deutlich zu machen: Hier hat sich etwas verändert, das man in Augenschein nehmen sollte. So jedenfalls stellt sich der Berliner Bühnenbildner Oliver Proske das vor, der die Ausstellung "gebaut" hat. Proske ist kein Unbekannter in Halle und der Region, als Mit-Denker des Kunstkollektivs nico & the navigators hat er ansehnliche Spuren hinterlassen - so etwa bei m Puppentheaterprojekt "Konzert für eine taube Seele" mit der Pianistin Ragna Schirmer, für das er eine raffinierte, wunderschöne Bühne schuf.
Nun aber geht es um Zikaden, deren faszinierende Klangwelt die Ouvertüre für Halle Naturkundemuseum liefern sollen. Zu diesem Zweck hat sich Frank Steinheimer von den Naturwissenschaftlichen Sammlungen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg der Mitarbeit von Oliver Proske und Edgardo Rudnitzky versichert, eines argentinischen Klangkünstlers und Komponisten. Gemeinsam waren sie der Idee verpflichtet, etwas Ungewöhnliches, so nicht Gesehenes - und auch Unerhörtes zu schaffen. Rudnitzky, der Sound-Artist, hat künstliche Zikaden aus Papier geschaffen, die von winzigen Motoren angetrieben und per Computerprogramm gesteuert, den Gesang echter Zikaden imitieren. Damit sollen, so sagt es der Fachmann Steinheimer, Evolutionsabläufe in der Kommunikation von Singzikaden nachgespielt werden. Zugleich aber entstünden - "authentisch und der Mechanik von Zikaden folgend - eigenständige, modulare Tonerlebnisse".
Das liest sich womöglich kompliziert, aber das, was die "falschen" Singzikaden abliefern, hört sich tatsächlich hinreißend an - ganz ähnlich den Klängen der echten Zikaden, die mit ihrem sogenannten Trommelorgan und speziellen Muskeln harte Arbeit leisten. Damit der Besucher auch eine Vorstellung davon bekommt, wie echte Zikaden aussehen, werden museale Exemplare die Kunstinstallation bevölkern. Und, was noch schöner ist: Der Gast kann sich aus seiner Eintrittskarte selbst eine Zikade falten - von jener Art, die in der Schau zum Klingen gebracht wird.
So möchte man sich das Naturkundemuseum gern vorstellen: Lichte Räume, wie Proske sie zaubern kann, die wunderbaren Objekte mit Blick für das Besondere und Schöne inszeniert. Und ganz dem Besucher zugewandt.
"Cicadas", Eröffnung Donnerstag, 19 Uhr, bis 30. Oktober, Di-So 10-18 Uhr