Künstler wird 85 Jahre alt Künstler wird 85 Jahre alt: Galerie zeigt Lebenswerk von Willi Sitte

Merseburg/Halle/dpa. - Anlass war der 85. Geburtstag desumstrittenen Künstlers und früheren DDR-Kulturfunktionärs, einem derbedeutendsten deutschen Maler der Gegenwart. In dem Haus am Dom sindauf 550 Quadratmetern Fläche zahlreiche Gemälde, Handzeichnungen und Grafiken aus 60 Jahren Schaffenszeit zu sehen. Viele davonrepräsentieren einen Malstil Sittes, der der Öffentlichkeit bislangverborgen blieb. Die 150 gezeigten Werke stammen aus dem Privatbesitzdes in Halle lebenden Künstlers. Sie entstanden in der Zeit von 1943bis 2002. Das älteste Bild ist eine Bleistift-Kreidezeichnung aufgetöntem Papier und trägt den Titel «Totenmaske meines Großvaters»(1943).
Die Motive der chronologisch angeordneten Schau mit Zeichnungenund Ölgemälden bilden sowohl gesellschaftliche Veränderungen ab alsauch biografische Erlebnisse und Selbstporträts. Auch die für Sittetypischen großflächigen Motive mit Akten und Arbeiterbildern wie denChemiewerkern aus Leuna, den Brigadiers oder Berg- undFabrikarbeitern fehlen nicht. Dazu zählt auch das Werk «RufendeFrauen» (1957), welches an den Pogrom von Lidice (Tschechien) imZweiten Weltkrieg erinnern soll.
Die Galerie sollte am Abend nach einem Festakt in Anwesenheit desKünstlers und prominenter Gäste wie Alt-Bundeskanzler GerhardSchröder (SPD) und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer(CDU) eröffnet werden. Die Galerie wurde in rund zwei Jahren durchdie Sanierung der Domkurie und die Integration eines Neubaus für 2,6Millionen Euro geschaffen. Das Haus wird von der Willi-Sitte-Stiftungbetrieben.
Das Kuratoriumsmitglied Claus Pese kündigte an, zur Ausstellungsolle ein kunstpädagogisches Konzept erarbeitet werden. «Wir stellenerst aus und diskutieren dann», sagte er vor dem Hintergrund derpolitischen Rolle Sittes in der DDR-Kunst. Pese ist Oberkonservatorim Germanischen Nationalmuseum Nürnberg.
Die Galerie bietet nach Ansicht des halleschenKuratoriumsmitgliedes Hans-Georg Sehrt die Chance, mit der KunstSittes umzugehen. Merseburgs Oberbürgermeister Reinhard Rumprecht(parteilos) sagte: «Das Projekt der Willi-Sitte-Galerie war sehrumstritten, ich hoffe, dass es das auch bleibt». Über das Werk Sitteshinaus seien weiterführende thematische Ausstellungen vorgesehen.
In die Stiftung haben Sitte und seine Familie 250 Gemälde, mehrals 1000 Zeichnungen, Radierungen, Druckgrafiken und Skizzeneingebracht. Bilder von Sitte, der gemeinsam mit Begründern desMalstils Leipziger Schule wie Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer(1927-2004) und Werner Tübke (1929-2004) 1977 auf der «documenta 6»in Kassel im Westen bekannt wurde, sind bis heute in Galerien und beiKunstsammlern in Westeuropa begehrt. Sitte, 1921 in Kratzau (heuteTschechien) geboren, lebt seit 1947 in Halle. Seine Bilder galten zuDDR-Zeiten als Standardwerke realsozialistischer Kunst.