Kulturpolitik in Sachsen-Anhalt Kulturpolitik in Sachsen-Anhalt: Kaum noch Kunst am Bau

Halle (Saale) - Es war eine Nachricht von Seltenheitswert, als Ende Januar das Umweltbundesamt (UBA) bekannt gab, dass für den geplanten Neubau am Hauptsitz in Dessau-Roßlau ein „Kunst-am-Bau“-Wettbewerb ausgeschrieben wird. Insgesamt 155 000 Euro stehen zur Verfügung, um für die Außenanlage und im Atrium Kunst zu schaffen, „die sich mit dem Ort, der räumlichen Situation, der Architektur, den Freianlagen sowie dem UBA und seinen Aufgaben und Funktionen auseinandersetzen“, gerne auch mit „prozessorientierten und dynamischen Entwürfen, die zum Beispiel als ,work in progress‘ konzipiert werden.“
Vom Ansatz her steht die Aufforderung also auf der Höhe der Zeit und des Kunstjargons. Seltenheitswert aber hat sie, weil man sich mittlerweile fragen muss, was eigentlich aus dem staatlichen Projekt „Kunst am Bau“ geworden ist. Geboren in der Weimarer Republik als Fördermaßnahme für Künstler in Zeiten der Not, hat die Kunst am Bau - unter verschiedenen Namen - eine bruchlose, wenn auch wiederum höchst verschiedenartige Laufbahn durchs Dritte Reich, die DDR und die alte Bundesrepublik zurückgelegt.
Kunst taucht im „Baukulturbericht“ nicht auf
Dass im Bundesverband der Bildenden Künstler das Thema angemahnt wird, mag kaum überraschen. Im weiten Feld des Bauens aber steht es seit langem im Abseits. Der jüngste „Baukulturbericht“ der Bundesstiftung Baukultur nennt das Wort Kunst auf gut 130 Seiten an keiner Stelle.
Zwar ist auf Bundesebene das Thema noch einigermaßen präsent. Am Bundesbauministerium wurde 2006 ein Sachverständigenrat ernannt, der Anfang 2014 neu berufen wurde. Eine Publikation zu Kunst an und in Bundesbauten ist erschienen, eine Webseite zu Projekten seit 1952 geplant. Das ist immerhin eine Maßnahme zur Bewusstseinsförderung und benennt einen Ansprechpartner - was auf regionaler Ebene alles andere als selbstverständlich ist.
Niemand weiß das besser als Christine Bergmann. Sie ist Vorsitzende des Künstlerverbands Sachsen-Anhalt und auch deshalb Expertin für Kunst am Bau, weil sie darin bemerkenswert erfolgreich ist, inner- und außerhalb des Landes. 2014 gewann sie den Wettbewerb für das Gothaer „Perthes-Forum“, dem Depotgebäude von Schloss Friedenstein. Bezeichnenderweise war auch dort der Bund beteiligt und setzte einen Anteil der Bausumme für Kunst durch.
Wochenlanges Warten auf Auskunft
Sachsen-Anhalt aber ist unter den Bundesländern kein Sonderfall, wenn es um die Nichtbeachtung selbst gestellter Prinzipien geht. In der landeseigenen „Richtlinie Bau“ schreibt Absatz „K7“ Kunstwettbewerbe für „bedeutende Baumaßnahmen“ vor, bei einem Orientierungswert von einem Prozent der Bausumme. Aber „was nutzt es, wenn sich keiner daran hält“, sagt Christine Bergmann. Wenn es doch einmal geschieht, und die künstlerische Beteiligung sogar im Planungsstadium stattfindet, zeigt sich, was dabei zu gewinnen ist.
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2011 war der Wettbewerb für die Kunst am Magdeburger Landeshauptarchiv ein Musterfall. Von den Kosten für den Umbau einer ehemaligen Kaserne wurde ein halbes Prozent, das waren 95 000 Euro, bereitgestellt. Christine Bergmann gewann mit einem Projekt, das als „Gesamtkunstwerk“ Innen- und Außenräume bespielt. Stadtbekannt wurde der zur Straße sichtbare Teil, der aus Stahlblech mittels Laser ausgestanzte „Buchstabenzaun“.
Auf lichthinterleuchteten Glasstelen auf dem Vorplatz, in Ätzungen auf den Glastüren und Innenfenstern, entlang der Wände in den Fluren und Lese- und Vortragssäle jongliert die Künstlerin mit dem Rohmaterial der Akten und Urkunden, der Landkarten und Schriftstücke aus tausend Jahren. Aber noch einmal: Dieses Vorgehen hat Seltenheitswert. Bei einer Nachfrage nach den laufenden oder geplanten Bauvorhaben des Landes ist es schon schwer genug, die Zuständigkeit zu ermitteln. Kunst am Bau ist nicht am Kultus-, nicht am Bauministerium, sondern am Finanzministerium verortet: „Abteilung 5, Referat 54“. Das delegiert die Aufgabe an den Landesbetrieb „Bau- und Liegenschaftsmanagement“. Ein Datenarchiv gibt es nicht. Fünf Wochen brauchte die Behörde, um herauszufinden, dass mit Kunst am Bau „sparsam umgegangen“ werde, und für die 18 Projekte auf der laufenden und einer älteren „Prioritätenliste“ des Landes entweder keine Kunst am Bau vorgesehen, oder darüber noch zu entscheiden ist.
In Halle Fehlanzeige
Dabei sind einige der Projekte von hohem öffentlichem Interesse. Aber beim Geisteswissenschaftlichen Zentrum der Uni Halle, bei der angrenzenden Steintorkreuzung, beim Neubau des Finanzamts in Halle ist Kunst am Bau Fehlanzeige. Für andere Projekte „wird überlegt, ob sich das Vorhaben für Kunst am Bau eignet“ - etwa bei der Sanierung des Mühlengebäudes der Landesschule Pforta oder des früheren Magdeburger Standorts des Landesverwaltungsamts, dem Neubau der Polizeidirektion Magdeburg oder dem Ausbau des Gefängnisses in Halle.
Dass Kunst am Bau dann funktioniert, wenn jemand sie wirklich will, zeigt das Beispiel des Krankenhauses St. Elisabeth und St. Barbara in Halle, dessen jüngst in den Ruhestand verabschiedete Direktor Manfred Brümmer jahrelang Aufträge an Studenten und Absolventen der Burg Giebichenstein vergab, oder zeigt die Ostdeutsche Sparkassenstiftung, die zeitgenössische Glasfenster in Kirchen finanziert. Die Städte könnten bei Bauvorhaben auf mehr Kunst dringen, aber der Wille dazu ist offenbar schwach ausgeprägt.