Kulturpolitik in Sachsen-Anhalt Kulturpolitik in Sachsen-Anhalt: "Ich glaube an die Vernunft"

magdeburg/MZ - Kann es gelingen? Die Überraschung in letzter Minute? Die CDU hat im Landtag 42, die SPD 26 Sitze. Das sind 68 Stimmen für die Große Koalition, die am Mittwoch mit dem Haushalt 2014 die von ihr beschlossene Kürzung von rund sieben Millionen Euro für die Theater und Orchester durchbringen will. Gegen die Große Koalition stehen 28 Mandate der Linken und neun der Grünen.
Das sieht nicht gut aus - von den Bühnen in Dessau, Halle und Eisleben aus betrachtet. Und im Blick von tausenden Bürgern, die 2013 dafür demonstrierten, dass, wenn überhaupt, an den Bühnen mit Augenmaß und nicht im Hauruckverfahren reformiert wird. Auch wenn es da noch einige CDU- und SPD-Abgeordnete gibt, die vielleicht für die kulturpolitischen Interessen ihrer Wahlkreise stimmen könnten: Mit einem Wunder darf nicht gerechnet werden. Oder doch?
Zahlen auf den Tisch
„Das ist natürlich Wunschdenken“, sagt Stefan Gebhardt, „aber ich glaube bis zum Schluss daran, dass sich die Vernunft durchsetzt.“ Der kulturpolitische Sprecher der Linken will sich nicht herabstimmen lassen: „Das ist ja ein Großkampftag!“ Um 11.15 Uhr lädt am Mittwoch der Kulturausschuss des Landtages zu einer von der Linken und den Grünen veranlassten Sondersitzung. Die Träger der Theater und Orchester in Halle, Dessau und Eisleben sind gemeinsam mit dem Kultusministerium geladen, um die Zahlen auf den Tisch zu legen - also die Summen, die der Personalabbau tatsächlich kostet, der von einem Abwicklungsfonds des Landes teilweise finanziert werden soll. Schnell kann es passieren, dass die abrupte Abwicklung von Bühnenstrukturen teurer ausfällt als deren mittelfristige Konsolidierung. Die Fraktionen müssen erklären, ob sie das wollen oder nicht. Dieses Bekenntnis kann im Plenum sogar namentlich abgefordert werden. Die Fraktion Die Linke hat dem Landtag einen Antrag zur Beschlussfassung empfohlen, über den heute abgestimmt werden könnte - unabhängig von der Beschlussfassung zum Haushalt.
Sechs Punkte zählt der Antrag. Der letzte lautet: „Der Landtag fordert die Landesregierung und die Träger der Theater und Orchester auf, auf der Grundlage des bisherigen Förderumfangs bis zum 1. Januar 2014 neue Theater- und Orchesterverträge für eine Laufzeit von fünf Jahren abzuschließen.“ Spätestens nach einer Abstimmung über diesen Antrag, wissen die Bühnen und Orchester, mit wem sie es jeweils im Landtag zu tun haben.
Immerhin, denn womit man es in der Sache des beabsichtigten Umbaus der Bühnen zu tun hat, liegt noch immer sehr im Ungefähren. Lediglich die Landesbühne Eisleben, deren Existenz vollständig zur Debatte stand, befindet sich halbwegs im hellgrünen Bereich. Allerdings nicht mehr als Bühne, sondern als „Kulturwerk“, also als eine Art Kulturhaus mit vorzugsweise kulturpädagogischem Angebot. Jeweils 750 000 Euro wird das Land in den Jahren 2014 und 2015 zuschießen. Woher kommt das Geld? Aus dem Bildungsetat, bestätigt das Kultusministerium eine Meldung des MDR. Geld, das für die Lehrerfortbildung vorgesehen war.
In Dessau sollen die Landeszuschüsse von 8,13 auf 5,2 Millionen Euro gekürzt werden, bei acht Millionen Euro städtischen Zuschüssen. Das Land will das Vierspartenhaus (Musiktheater, Ballett, Schauspiel, Puppenspiel) als Musiktheater mitfinanzieren, das Schauspiel könnte an die Spielstätte „Altes Theater“ wandern, die Zukunft des Balletts wäre offen - so wie im Detail zur Zeit eigentlich alles offen ist. Allein die Forderungen der Dessauer stehen fest: Rund zehn Millionen Euro verlangt die Stadt aus dem Landes-Abwicklungsfonds.
Eine hohe Summe, die von den Forderungen der Hallenser noch um einiges überboten wird. Die hallesche Theater, Oper und Orchester GmbH (TOOH) soll von 2014 an 2,9 Millionen von 11,9 Millionen Landeszuschüssen verlieren. Ein Konzept der TOOH sieht eine Verringerung des Personals von 532 auf 419 Personen vor; der volle Kürzungsbetrag solle erst 2018 erreicht werden. Auch das ist noch eine Rechnung mit vielen Unbekannten. So wie das Kalkulieren mit dem Abwicklungsfonds des Landes völlig freihändig erfolgt.
Denn auf rund 27 Millionen Euro kommen allein Dessau und Halle; das Land hatte bisher aber nur mit bis zu - nicht offiziell erklärten - fünf Millionen Euro im Fonds gerechnet; der Rest der Kosten wäre an die Kommunen zurückzugeben. Für den Fonds „sind im Haushalt bislang eine Million Euro veranschlagt“, teilt das Kultusministerium auf Nachfrage mit. „Diese Mittel werden im Haushaltsvollzug 2014/2015 erhöht, wenn belastbare und mit dem Land abgestimmte Konzepte/Kennziffern von Dessau-Roßlau, Halle und Eisleben vorliegen, was momentan jedoch noch nicht gegeben ist.“ Sollte nicht besser von einem Finanz- statt Strukturanpassungsfonds die Rede sein?
Theaterverträge fehlen
Bei alledem wird leicht übersehen, dass die Theater bis heute, also wenige Minuten vor Jahresschluss!, über keine Verträge für die Jahre von 2014 an verfügen. Dabei hatte das Kultusministerium vor einem Jahr verkündet, dass mit der seinerzeitigen Unterzeichnung der Verträge für 2013 „Zeit und Expertise gewonnen werden“ sollte „für eine langfristige Planung der Verträge ab dem Jahr 2014“. Davon kann keine Rede mehr sein. Am 17. Dezember soll das Kabinett dazu „beraten und beschließen“, teilt das Kultusministerium mit. Bei Zustimmung „könnten aus Landessicht zunächst die Verträge für die Standorte Magdeburg, Stendal, Naumburg, Halberstadt und Quedlinburg, Schönebeck und Wernigerode sehr kurzfristig unterzeichnet werden.“ Kein Halle, kein Eisleben, kein Dessau.
Ob es in Anhalt über das Jahr 2015 hinaus eine Zukunft mit dem Intendanten André Bücker gibt, ist offen. Jedenfalls kaum mit dem Titel „Generalintendant“. Weithin unbemerkt von der überregionalen Öffentlichkeit vereinbarte die Stadt Dessau mit Bücker, dass dessen 2015 auslaufende erste Amtszeit nicht „automatisch“ verlängert wird, sondern die Stelle ausgeschrieben werden müsse. Begründung: eine „automatische“ Verlängerung könne nicht erfolgen, „wegen möglicher Änderungen in der Funktion des Theaterleiters“. Im Klartext: Niemand weiß, in welcher Gestalt das Anhaltische Theater das Spardiktat überstehen wird.