Kulturinsel Kulturinsel: Wir säbeln uns die Haare ab und sehen aus wie Hunter Thompson
Halle/MZ. - 46 Meter hoch ist das Monument, das sich der glatzköpfige Exzentriker auf seiner Farm bei Aspen setzen ließ. Eine zweischneidige Klinge, die eine rote Gonzo-Faust mit zwei nach innen gebogenen Daumen trägt, in deren Mitte die Blüte einer Peyote-Kaktee leuchtet. Aus dieser sprengte Thompsons Asche ins All. Ein rund 2,5 Millionen Dollar teures Zeugnis avancierter Begräbnis- und Erregungs-Kultur.
Die Videobilder von Old Hunters Himmelfahrt waren ein beglückender Moment der "Schöner Abend-Show", die am Mittwoch auf der Kulturinsel über die Bühne ging. Der in Berlin lebende "Tiamat"-Verleger Klaus Bittermann war mit Paul Berrys Biografie "Angst und Schrecken. Das sagenhafte Leben des Hunter S. Thompson" (288 Seiten, 18 Euro) nach Halle gereist.
Eine Stunde lang las Bittermann - unterbrochen nur von maulenden Flimmerbildern - Ergötzliches aus dem Leben des großen Sensiblen -, der stets auf alles drücken musste, aus dem etwas hervorzuschießen versprach: Feuerlöscher, Maschinengewehre. Dabei ist Bittermann selbst ein Sagenhafter. Mag man sich andernorts darüber erregen, warum mal wieder ein Lektor über einen Suhrkamp-Papierkorb gefallen ist. 25 Jahre "Tiamat" hingegen: Das sind große Titel wie "In Schlucken-zwei-Spechte" (Rowohlt), "Sorge dich nicht, lese" oder "Wir säbeln uns die Beine ab und sehen aus wie Gregor Gysi" (Droste).
Bittermann jedenfalls - weißes Sacko, schwarzer Borsalino - plauderte entspannt mit Show-Gastgeber Stefan Maelck, der den charmebolzenden Buchproduktbeschleuniger gab. Im zweiten Show-Teil dann stieg der große Danny Dziuk aus Berlin-Kreuzberg auf die Bretter, ein lässiger Singer-Songwriter mit trockener Platzregenfrisur, der mit seinem Gitarristen Hans Rohe Lieder des neuen Albums "Gebet & Revolver" (Buschfunk) vorstellt.
Dziuk, das sind Folkblues, Reggae, Jazz, humorig ineinander gezupft. Songs wie "Leute sind seltsam", "Überwintern" ("Ich suche 'nen Platz für meinen Hintern") oder "Fett in Japan" ("Ich hab' den Stil, / doch nicht den Charme. / Ich hab' das Vieh, / doch nicht die Farm.") und die Beziehungshymne "Wenn zwei zueinander passen". Dreieinhalb Stunden gute Unterhaltung also, erstmals im großen Theater-Saal. War die "Werft" zu klein und das Trinken nicht gestattet, ist nun der Saal zu groß, Trinken gestattet, aber das Rauchen nicht. Das Clubformat wird sich noch rühren oder schütteln müssen. Der Rest ist Hingabe und Entertainment.
Nächste Show: 7.2., 20 Uhr, Kulturinsel - Lloyd Cole, Dirk Darmstaedter, Christian Kjellvander, Michael Klonovskiy