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Kraftwerk Kraftwerk: Die «Mensch-Maschine» funktioniert noch immer

Von Marlis Schaum 29.03.2004, 09:59

Berlin/dpa. - Auch wenn das mit den Knien vor zwanzig Jahren noch nicht passiert wäre. Zwei Stunden lang überrollten die Düsseldorfer Pop-Pioniere fast 3300 begeisterte Fans mit einer Klangwelle aus drei Dekaden Elektro-Sound. Präzise, scheinbar übermenschlich und faszinierend.

Kraftwerk sind ein musikalisches Phänomen. Auf Bühnen stehen die vier Musiker einfach nur da. Ähnlich seriösen Verwaltungsfachangestellten in dunklen Anzügen mit dezent rotem Hemd. Jeder hat ein Podest mit Laptop vor sich, hinter ihnen laufen abstrakte und naive Video-Projektionen über eine Leinwand. Keine Lasershow, kein Kunstnebel und vor allem: Sie sprechen nicht mit ihrem Publikum. Sie ermuntern es nicht zum Klatschen, sie sagen nicht «Berlin!! Geht es Dir gut?». Sie sind nicht sexy, und sie ziehen sich nicht aus. Und die Fans jubeln dennoch ekstatisch.

Kraftwerk-Songs sind kunstvolle Computerprodukte und so zeitlos wie die Musiker selbst. Besonders verzückt reagierten die Fans in Berlin auf Klassiker wie «Mensch-Maschine», «Das Modell», «Radioaktivität» und «Autobahn». Die Band hat Songs im Repertoire, deren Bässe die Gurgel vibrieren lassen und bei denen sich die Gedanken in den abstrakten Synthesizer-Klängen verlieren. Sie putschten die Masse in Berlin auf und beruhigten sie anschließend.

Kraftwerk ist keine Band zum Anfassen und genau darin könnte ihre schon mehr als drei Jahrzehnte dauernde Berühmtheit liegen. Sie gelten als Wegbereiter der elektronischen Musik und waren die erste Band, die 1974 einen deutschsprachigen Song in den US-Charts platzieren konnten. Inmitten der Flower-Power-Bewegung der 1970er Jahre fielen sie mit futuristischen elektronischen Klängen auf und proklamierten sich als Verbindungsglied zwischen Mensch und Maschine. Das Highlight jeder Show sind die Roboter, die einen Song lang die Musiker aus Fleisch und Blut ersetzen.

Gegen den Rummel vieler Pop-Idole setzt das Quartett bis heute klassisches Startum. Von Beginn ihrer Gründung 1970 an gaben die Musiker kaum Interviews und ließen so gut wie nichts über ihr Privatleben nach außen. Die Adresse ihres Produktionsstudios «Kling- Klang» war kaum jemandem bekannt. Sie produzierten keine Skandale und zogen sich ohne Begründung für längere Perioden aus dem Geschäft zurück. Das schürte wiederum ausreichend Gerüchte. 17 Jahre warteten die Fans geduldig, bis Kraftwerk das aktuelle Album «Tour de France Soundtracks» herausbrachte.

Das Auftaktkonzert zur Deutschlandtournee bewies, dass die «Mensch-Maschine» Kraftwerk immer noch funktioniert. Fans, die kaum jünger waren als 30 jubelten Endfünfzigern zu, deren Haar sich bereits lichtet. Die nach zwei Zugaben zum Abschluss der Show in fluoreszierenden Astronauten-Anzügen auf der Bühne standen und nacheinander wortlos von der Bühne verschwanden. Nur einer der Gründerväter, Ralf Hütter, sagte zum Abschied ausnahmsweise etwas: Goodbye.