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Köthen 900 Köthen 900: Kulturstadt und kein Kuhkaff

Von Kai Agthe 01.05.2015, 19:30
Wasserspiel auf dem Marktplatz in Köthen zwischen der St.-Jakobs-Kirche (l.) und dem Rathaus (r.)
Wasserspiel auf dem Marktplatz in Köthen zwischen der St.-Jakobs-Kirche (l.) und dem Rathaus (r.) Archiv/ Heiko Rebsch Lizenz

Köthen - Die Deutsche Post und der MZZ-Briefdienst haben der Stadt Köthen bereits zum 900. Jubiläum ihrer Ersterwähnung gratuliert: Mit Sonderbriefmarken, die in einem Fall eine Stadtansicht aus dem 17. Jahrhundert und im anderen Fall Köthens marschierende Kirchtürme zeigen. Auch die „Zollstockfreunde“, das heißt die Sammler von Gliedermaßstäben, haben der Stadt schon ihre Reverenz erwiesen: Sie führten im April ihr 30.?Jahrestreffen in der anhaltischen Stadt durch. Bei dieser Gelegenheit wurde der scheidende Köthener Oberbürgermeister Kurt-Jürgen Zander (SPD) sogar als „verdienter Zollstockfreund“ geehrt.

Doch damit nicht genug: Mitte Mai werden Deutschlands homöopathisch praktizierende Ärzte ihren Jahreskongress in Köthen veranstalten. Aus gutem Grund: Der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) ist einst als Verein für homöopathische Heilkunst in Köthen gegründet worden – und zwar unter Federführung von Samuel Hahnemann (1755-1843), der hier zwischen 1821 und 1835 tätig war.

Der DZVhÄ ist die älteste noch aktive Mediziner-Vereinigung und mit 4.000 Mitgliedern und 2.000 assoziierten Ärzten wohl auch eine der größten Gesellschaften für Alternativmedizin. In Köthens Wallstraße erinnern das museal genutzte Hahnemann-Haus und die Europäische Bibliothek für Homöopathie an den Ursprungsort der ganzheitlichen Medizin und ihren Begründer. Der starb zwar in Paris (wohin er als Greis der Liebe wegen zog), Hahnemanns Sterbebett aber hat den Weg nach Köthen gefunden, wo es im Apothekergewölbe des Schlosses zu sehen ist.

Neben zahlreichen Kritikern hatte Hahnemann auch zwei Verehrer: Den aus dem Baltikum stammenden Juristen Carl Gustav Jochmann (1789-1830), der „Briefe eines homöopathisch Geheilten an die zünftigen Widersacher der Homöopathie“ veröffentlichte, sowie den Berliner Heilpraktiker Arthur Lutze (1813-1870), der die erste homöopathische Klinik Europas eröffnete – natürlich in Köthen.

Weitsichtige Berufungspolitik

Hätte Herzog Friedrich Ferdinand von Anhalt-Köthen den umtriebigen Hahnemann nicht 1821 zu seinem Leibarzt ernannt, Köthen wäre wohl kaum das Mekka der Homöopathie geworden. Schon die herzoglichen Vorgänger Friedrich Ferdinands haben mit kluger Berufungspolitik Sorge getragen, dass die einstige Residenzstadt heute eine bedeutende Rolle in der mitteldeutschen Kulturgeschichte spielt.

Ein Jahrhundert früher hatte Fürst Leopold (1694-1728) Weitsicht walten und 1717 Johann Sebastian Bach als Hofkapellmeister bestallen lassen. In seiner sechsjährigen Amtszeit schuf Bach in Köthen unter anderem die „Brandenburgischen Konzerte“. Von denen meint manch Bewohner augenzwinkernd, dass sie eigentlich „Köthener Konzerte“ heißen müssten. Wie auch immer. Köthen teilt sich den Titel „Bachstadt“ gleichberechtigt mit dem etwas größeren Weimar und dem viel größeren Leipzig, wo Bach vor und nach seiner Köthener Zeit wirkte.

Ort des musikalischen Lebens damals wie heute ist das Köthener Residenzschloss, das zwischen 1797 und 1604 im Renaissance-Stil errichtet worden ist und nach dem Aussterben der Linie seit 1863 vor allem als Behördensitz diente. Hier finden Konzerte statt, auch die Musikschule und vier Museen sind in dem Gemäuer untergebracht.

Doch ausgerechnet in Köthens Festjahr ist das architektonische Glanzstück zum Sorgenkind für die Stadt und die Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt geworden. Zehn Tonnen Abrissschutt wurden über Jahrzehnte illegal im Dachbereich gelagert und spielten der Statik des Schlosses übel mit. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sah das Elend jüngst bei einem Ortstermin und versprach, Abhilfe zu schaffen.

Die wird aber erst nach dem Höhepunkt des Jubeljahres geleistet werden können: Der Sachsen-Anhalt-Tag, der vom 29. bis zum 31.?Mai gefeiert wird, ist eine nicht ganz preiswerte, aber großartige Chance für Köthen, im Land und darüber hinaus auf sich aufmerksam zu machen. Einerseits, um auf die kulturhistorische Bedeutung des rund 27?000 Einwohner zählenden Ortes hinzuweisen, andererseits um zu zeigen, dass die Stadt auch in der Gegenwart ein lebendiger Ort ist.

Internationales Flair

Dafür sorgen die Hochschule und das Landesstudienkolleg, in dem sich junge Menschen aus dem Ausland auf ein Studium in Deutschland vorbereiten. Beide Einrichtungen zusammen genommen, leben derzeit 1?200 ausländische Studenten in Köthen. Die größte Gruppe bilden Studierende aus China, gefolgt von denen aus Indonesien und Russland.

Was auch heißt: Die Stadt bietet dadurch ein internationales Flair, um das sie viele Kleinstädte nicht nur im mitteldeutschen Raum beneiden sollten. Ein Grund mehr, um den anhaltischen Ort zum Sachsen-Anhalt-Tag 2015 kräftig zu feiern. Denn Köthen ist kein Kuhkaff, von dem der Volksmund außerhalb so gern spricht, sondern eine bedeutende Kulturstadt.

Das wird auch ein TV-Beitrag in der Sendereihe „Unterwegs in Sachsen-Anhalt“ des Mitteldeutschen Rundfunks beleuchten: Das Köthen-Porträt ist am 16. Mai um 18.15 Uhr im MDR zu sehen. (mz)