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Komische Oper Komische Oper: Chefregisseur nimmt seinen Abschied

Von Esteban Engel 17.07.2002, 05:48
Harry Kupfer
Harry Kupfer dpa

Berlin/dpa. - Für das Berliner Musikleben geht an diesemDonnerstag eine Ära zu Ende: Mit seiner Inszenierung von Verdis«Traviata» tritt Harry Kupfer als Chefregisseur der Komischen Opernach 21 Jahren von der Bühne ab. Der Regiemeister, der länger alssein Vorgänger und Gründer der Komischen Oper, Walter Felsenstein,das kleinste der drei Berliner Musiktheater leitete, will in Zukunftals freier Künstler arbeiten.

«Ich muss Oper machen», lautete der Titel einer Kupfer-Biografieaus DDR-Zeiten. Und tatsächlich: Mit seinen 66 Jahren hat Kupfer nochviel vor. Verdis «Otello» in Sydney und Wagners «Ring des Nibelungen»in Barcelona will der Regisseur in nächster Zeit inszenieren.

Für die Komische Oper markiert Kupfers Abgang eine Zäsur. Der neueChefregisseur Andreas Homoki hat eine Runderneuerung des 1947gegründeten Hauses angekündigt. Mit einer Modernisierung desRepertoires will Homoki vom Image des eher «ostlastigen» Theaterswegkommen. Noch lange Zeit nach der Wende hatte sich der Regisseurpessimistisch gegeben: Eine wirkliche Vereinigung werde es inDeutschland erst in der kommenden Generation geben.

Kupfer kannte sich im komplizierten deutsch-deutschen Geflechtaus. Als Ostberliner «Mauerspringer» hatte er zwischen beiden Weltenvermittelt und an den wichtigsten Musiktheatern von Wien bis Berlininszeniert. Über die deutsch-deutschen Grenzen hinaus bekannt wurdeKupfer 1978 mit einer Inszenierung des «Fliegenden Holländers» inBayreuth. Mit seiner psychoanalytisch gefärbten Deutung der Wagner-Oper stieß Kupfer aber auf gemischte Reaktionen. Zehn Jahre späterbrachte er mit dem Dirigenten Daniel Barenboim den «Ring» an derWagner-Stätte heraus. Die als Fallstudie aus dem Irrenhaus angelegteVersion wurde als «Jahrhundertereignis» gepriesen.

Damals hausten die Kupfer-Figuren in Betonbunkern, abgewracktenKläranlagen und zertrümmerten Glaspalästen. «Menschen mit ihrenKonflikten, Problemen und Widersprüchen gehören auf die Opernbühne»,hatte er sein Regie-Credo beschrieben - ein Stoff, den er außer beiden Meistern Wagner und Mozart vor allem bei den zeitgenössischenKomponisten fand. So brachte Kupfer 1994 an der Komischen OperBerthold Goldschmidts musikalische Tragikomödie «Der gewaltigeHahnrei» auf die Bühne.

Nach dem Verbot durch die Nazis war das Werk des jüdischenKomponisten 60 Jahre nicht mehr gespielt worden. Zu KupfersSternstunden gehörten auch fesselnde Deutungen von Aribert Reimanns«Lear» oder Bernd Alois Zimmermanns «Soldaten» ebenso wieUraufführungen von DDR-Komponisten - von Siegfried Matthus bis UdoZimmermann. Neben dem ernsten Fach zog es Kupfer immer wieder beiseinen mehr als 170 Inszenierungen in die Unterhaltung. So warb erdie Schauspieler Otto Sander und Harald Juhnke in wechselnderBesetzung für die Rolle des Gefängnisdieners Frosch in der Johann-Strauss-Operette «Die Fledermaus».

Der gebürtige Berliner verdankt seinen Opern-Beruf eigentlicheiner großen Musikalität - und einer eher schwachen Stimme. Weil ernicht singen konnte, sei ihm nur das Regiefach geblieben, um seineLeidenschaft für die Oper zu stillen, erzählt Kupfer. Nach demStudium der Theater- und Musikwissenschaft feierte er mit 23 Jahrensein Regiedebüt mit Antonin Dvoraks «Rusalka» in Halle. NachStationen in Stralsund, Chemnitz, Weimar und zuletzt alsStaatsoperndirektor in Dresden zog Kupfer 1981 als Chefregisseur andie Komische Oper nach Berlin.