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Kloster Jerichow Kloster Jerichow: Urlaub im Kreuzgang

Von Günter Kowa 10.01.2006, 18:00

Jerichow/MZ. - Ähnlich denkt man in der Stiftung, die seit einem Jahr die Trägerschaft übernommen hat. Dazu gehören das Land, das Konsistorium der evangelischen Kirchenprovinz Sachsen, der Landkreis, die Stadt sowie die Kirch gemeinde Jerichow. Irgendwann soll die Stiftung über Pachteinnahmen aus vormaligen Staatsgütern hinaus finanziell auf eigenen Beinen stehen.

So hat der Vorstand den Vorschlag des Vorsitzenden, des früheren Siemens-Managers Ulrich Rethfeld, kürzlich mit Mehrheit angenommen, Verhandlungen mit einem Investor zu beginnen. Dieser will, wie es heißt, eine "Herberge mit Bewirtung" einrichten. Allerdings nicht etwa in den leer stehenden Wirtschaftsgebäuden der ehemaligen Kloster-Domäne, sondern mitten in der Klausur, dem früheren Quartier der Mönche, und dort in den Obergeschossen von zwei Flügeln des Kreuzgangs.

Über die genauen Ausmaße des Projekts liegen keine verlässlichen Angaben vor. Doch die Bezeichnung "Herberge" spielt das Ansinnen wohl herunter. Denn hinter dem Angebot steht Friedrich-Wilhelm Kühne, der Eigentümer von Burg Wanzleben, eines Nobelhotels in historischer Kulisse. Exklusiv und stilvoll eingerichtet, zieht es unter anderem aus dem nahen Magdeburg eine gehobene Klientel an. In ähnlichen Kategorien denkt man wohl auch für Jerichow.

Rastloser Förderer

Im Wirtschafts-, aber auch im Kultusministerium wird der Vorstoß unterstützt. Landesbischof Noack trug den Beschluss des Vorstands mit. In der Stiftung gibt es aber auch Widerstand. Renée Leudesdorf, zugleich Vorsitzender des Freundeskreises, ist Pfarrer im Ruhestand und ein rastloser Förderer des Klosters. Er hat in der Vergangenheit Spendengelder in Millionenhöhe eingeworben. Er befürwortet eine Hotel-Nutzung für Jerichow, findet aber eindeutige Worte für den eventuellen Einzug ins einstige spirituelle Zentrum des Klosters: "Das zerstört den Geist und die Würde des Ortes."

Die Aussicht auf Wellness-Publikum in Liegestühlen unter den Bögen des Kreuzgangs ist auch nicht nach dem Geschmack des wissenschaftlichen Beirats der Stiftung. Der pflegt eine andere Idee, die wiederum auf Leudesdorf zurückgeht. Allerdings hatte dieser keine Antwort auf die Frage, wie sich ein "Europäisches Romanik-Zentrum", das er gerne in Jerichow etablieren würde, finanzieren soll.

Er fand aber an der Universität Halle in dem Architekturhistoriker Leonhard Helten einen Mitstreiter. Seiner Initiative schloss sich Prorektor Wolfgang Schenkluhn an, gleichfalls Architekturhistoriker. Er schlägt nun vor, das Romanik-Zentrum als ein "An-Institut" des Kunsthistorischen Instituts zu gründen. Unterstützt wird er von einem prominenten Romanik-Freund, den man als solchen kaum vermuten würde, dem früheren Bundesminister Volker Rühe.

Das Kultusministerium bringt der Idee zwar freundliches Interesse entgegen, lehnt aber jegliche Finanzierung ab. Als An-Institut könnte es jedoch Fördergelder etwa der Deutschen Forschungsgemeinschaft einwerben, Stipendien vergeben und Werkverträge abschließen. Es könnte auch den Ausbau des Kloster-Museums in ein Romanik-Museum vorantreiben. Dank Jerichows Bekanntheit als Baudenkmal fände ein wissenschaftliches Programm das Interesse von Forschern in aller Welt, ist Schenkluhn überzeugt.

Historischer Ort

Die Uni-Gruppe hat jetzt um Einsicht in die Hotel-Pläne gebeten. "Wenn sich das Hotel im ganzen Kloster ausbreitet, ist da kein Platz mehr für ein Romanik-Zentrum", sagt Schenkluhn. Und als Vorsitzender des Landesdenkmalrats werde er das Projekt erst recht nicht befürworten, fügt er an.

Es wäre auch kaum zu vertreten. Denn abgesehen von dem inhaltlichen und denkmalpflegerischen Konflikt mit dem historischen Ort wäre die Dynamik des Hotelbetriebs mit fortlaufenden Umbauten gar nicht zu stoppen. Und es wäre das erste Mal, dass in Sachsen-Anhalt ein Denkmal von nationalem Rang, ein Weltkulturerbe - wenn auch ohne offiziellen Unesco-Titel - marktwirtschaftlichen Verwertungsinteressen überlassen würde.