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Kloster auf ehemaligen KZ-Gelände Esterwegen eingeweiht

19.11.2007, 17:11

Esterwegen/dpa. - Der Eingang des einstigen Konzentrationslagers Esterwegen ist von einem Kranz geschmückt. Nachbarn haben ihn gebunden, denn am Montag hat Osnabrücks Bischof Franz-Josef Bode hier ein neues Franziskanerinnen-Kloster eingeweiht.

«Wir wollen an diesem Ort, wo so viel Schreckliches passiert ist, für Gespräche zur Verfügung stehen und einen Beitrag leisten gegen die Gleichgültigkeit und gegen das Vergessen», sagt Hermann Haarmann, Sprecher des Bistums Osnabrück. Vier Schwestern des Ordens leben bereits seit einem halben Jahr auf dem Gelände des ehemaligen Lagers im Emsland (Niedersachsen), in dem die Nationalsozialisten Häftlinge interniert hatten.

Rund 5000 Besucher sind seitdem in das Kloster gekommen, die meisten aus der näheren Umgebung. «Viele 70- oder 80-Jährige erzählen Erlebnisse aus ihrer Kindheit», sagt Schwester Angelinis. Sie berichteten davon, wie sie den Lagerhäftlingen heimlich Kartoffeln zugeworfen oder Brot in Ackerfurchen versteckt hätten. Andere werden ihre schrecklichen Erinnerungen nicht los. So wie eine Besucherin, die als Kind für einige Zeit in Esterwegen gelebt hatte: «Ich höre heute noch die Schreie der Männer», erzählte sie Schwester Angelinis.

Die Franziskanerinnen hören den Besuchern geduldig zu, das ist für viele besonders wichtig. «Einer sagte mal: Ich möchte so gerne erzählen, aber wer will das heute noch hören?» Andere wollen mit den Nonnen das Friedensgebet beten. Das Leben auf dem ehemaligen KZ- Gelände im Moor ist für die Ordensschwestern eine große Herausforderung. «Ich habe mich vorher gefragt, ob ich hier in dieser Öde und Trostlosigkeit leben kann», sagt Schwester Angelinis. Jeden Tag werden sie mit der besonderen Vergangenheit des Ortes konfrontiert. «Es ist eine große Hilfe, dass wir zu viert hier sind, so können wir uns unsere Erlebnisse gegenseitig erzählen.»

Durch die Fenster ihrer Zimmer blicken die Nonnen auf das ehemalige Lager, wo vornehmlich politische Gefangene interniert waren. Prominentester Häftling war der Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky. Im kommenden Jahr will der Landkreis Emsland dort eine Gedenkstätte errichten. Heute stehen flache Hallen aus rotem Backstein auf dem Gelände - einstige Bundeswehrdepots, die nach dem Krieg dort gebaut worden waren. «Als ich am ersten Morgen aufgestanden bin, sah ich alle Häftlinge vor mir», beschreibt Schwester Jacintha die Vorstellung vor ihrem inneren Auge. Die 68- Jährige ist Niederländerin. Für sie ist ihre Arbeit nicht nur eine «sinnerfüllte letzte Lebensaufgabe», sondern auch ein Beitrag für ein gemeinsames Europa.

Eine Besuchergruppe - ebenfalls aus den Niederlanden - sieht sich die Gedenkräume des Klosters an. In einem stehen drei Zement-Stelen auf heimischem Torf. Die weiße Wand dahinter ist mit dem Text vom «Lied der Moorsoldaten» in grauer Farbe beschriftet. Dieses Lied haben die Häftlinge 1934 in Börgermoor, einem der 15 Lager des Emslandes, geschrieben. «Das war das Marschlied für die KZ-Häftlinge auf dem Weg zur Arbeit ins Moor, das ist ihr Vermächtnis», sagt Schwester Jacintha. Besucher haben Kerzen entzündet und auf die Stelen gestellt.

Die niederländische Gruppe ist beeindruckt. Ein Mann und zwei Frauen haben den Zweiten Weltkrieg als Jugendliche noch erlebt. Bee Dik zum Beispiel wohnte an der Bahnstrecke, die ins niederländische Konzentrationslager Westerbork führte. «Die Juden aus Holland waren in den Zügen und haben gerufen "Wir haben Durst" und wir haben sie dann mit Wasser versorgt», erinnert sie sich. «Die Menschen haben geglaubt, dass sie ins gelobte Land fahren.» Von Westerbork aus fuhren die Züge jedoch in Konzentrationslager der Nationalsozialisten wie etwa Auschwitz. «Die jungen Leute sollen wissen, wie es gewesen ist, damit so etwas nicht wieder passiert», sagt Reint Heeres.

www.gedenkstaette-esterwegen.de