Klaus Kinski Klaus Kinski: Ein Chamäleon mit Charisma

Halle/MZ. - Ein Jahrhundertschauspieler, wie es immermal heißt? Werner Herzog nennt seinen Freund/Feind-Superstarim vollen Bewusstsein auch der exzentrischstenManierismen schlichtweg "ein Genie". Im neuestenBuch heißt es gar, er wäre "der vielleichtletzte authentische Künstler des vergangenenJahrtausends" gewesen. Tatsächlich liegt wohlin dem als Titel gewählten Kinski-Zitat "Ichbin so wie ich bin" eine Annäherung an dieWahrheit seiner Wirkung. Die scheint anhaltend.Und wird diesen Herbst geschürt zum Kinski-Revivalmit zwei Gedenktagen: Morgen wäre er 75 Jahrealt geworden, am 23. November vor zehn Jahrenist er in Lagunitas/Kalifornien gestorben.
Die Erinnerungen sind vielfältig, manche Legende:Kinski, der den Expressionismus der früherenFilmgeschichte seinen gegenwärtigen Cineasten-Produktionenaufdrückte. Regisseure wie Mit-Mimen konntengar nicht anders, als sich zu unterwerfen.Wer das nicht einsah, ließ sich auf offenenKampf ein, wie Herzog in seinem Erinnerungsfilm"Mein liebster Feind" nachdrücklich festgehaltenhat.
So wie er als Schauspieler das Post-Expressionistischeausstellte, griff er seiner Zeit vor, wenner in den 50er Jahren von den Bühnen herabden schon wieder satten Wirtschaftswunder-Teilhaberndie Villon-Verse zuschrie. Akte wütenden Protestesund manischer Selbstverliebtheit, die sichin Begleitung derbster Publikumsbeschimpfungzu handfesten Skandalen auswuchsen. Und natürlichdie Legende polierten. Noch in den peinlichstenB-Movies konnte er der läppischsten Rollesein genialisches Kinski-Ich so einimpfen,dass man hinsah - auf ihn.
Überraschung birgt nun ein Band mit Gedichten,der im Vorfeld des 75. Geburtstages auf denMarkt kam. 1952 hatte sie der 26-Jährige inParis geschrieben. Seither verschollen, wurdendie jetzt wieder aufgetauchten Verse vom Eichborn-Verlagherausgegeben. Unter Überschriften wie "Hurenhände"oder "Fliederbrüste", aber auch "Weihnachten"und "Kinder" drängen sich Kinski-eske Vokabelnund Metaphern: Mutterkuchen und Eiterbeulen,Blutschaum und Christusfratzen. Prompt istvon Rotz-Kotz-Lyrik die Rede bei Rezensenten.Stimmt gewiss und passt prima zum Bild vomBerserker der Geste und des Wortes. Oder hater uns das nur aufgedrängt?
Denn Kinski, ganz klar, den gibt es nichteindimensional. Der war zwei Menschen. Wiewohl wir alle, in seiner Weise jedoch besondersextrem. Der Typ, der mit fast schon vorhersehbarerKonsequenz ausflippte, der Talkshows zum Kippenbrachte, Leute anschrie und mit genießerischerObszönität provozierte. Und der andere, derso zärtlich war und manchmal diese sanftenTöne und Gesten draufhatte. Der wild war nachdem "Erdbeermund", weil er sich wahrhaftiggesehnt hat nach Berührung in des Wortes jedwederBedeutung und einfach nur immer geliebt werdenwollte. Von allen!
Ob er denn wohl tatsächlich so war, wie ersich gab? Da sind sie immer noch schwer amGrübeln drüber, die Psycho-Rätsler und Auskenner.Kinski, der echt oder falsch Verrückte. Genieoder Gigolo der Manierismen? Das Chamäleonmit dem unwandelbaren Charisma. Als sensiblerBerserker ein Widerspruch in sich. In allseiner Ambivalenz eine bleibende Größe.