Kinostart: 8. Mai Kinostart: 8. Mai: «Wilde Unschuld»

Berlin/dpa. - Dann nimmt der Sohn ein Messer understicht die Mutter. Das Inzestdrama «Wilde Unschuld» (Kinostart 8.Mai) erzählt einen historischen Kriminalfall aus den 1970-er Jahrenin London. Julianne Moore («The Hours») gibt die Gattin einesMultimillionärs, die ihren einzigen Sohn Tony überfürsorglich inkrasser Dekadenz aufzieht. Eddie Redmayne («Die Schwester derKönigin») wandelt als Sohn auf ödipalen Spuren.
Sein Großvater hatte mit der Entwicklung des Kunststoffes BakelitAnfang des 20. Jahrhunderts ein Vermögen gemacht. Der Vater (StephenDillane) und seine Frau (Moore) sonnen sich nun in den Millionen undzelebrieren ein Jet-Set-Leben. Sie sei eine dieser Frauen, die dieVisitenkarte eines Grafen im Papierstapel nach oben und dieRechnungen nach unten legen, heißt es über die Mutter. Ein Zeitraumvon knapp drei Jahrzehnten wird mit Ausschnitten aus New York, Paris,Cadaqués und London erzählt. Dabei kommentiert der Sohn aus dem Offdie Ereignisse von seiner Geburt bis zum frühen Erwachsensein.
Regisseur Tom Kalin beginnt den Film mit bestechend scharfenBildern der damaligen Jet-Set-Gesellschaft. Das gelangweilteAbendessen im Edelrestaurant oder die Fahrten im protzigen Sportwagenstellen die Leere unter der blitzenden Oberfläche kritisch dar. Danngerät die Handlung aus dem Ruder. Im Sumpf der Dekadenz werden diesexuellen Regeln außer Kraft gesetzt. Eine junge Spanierin schläftmit dem Sohn und dann mit dem Vater, ein bisexueller Amerikanerlandet zuerst mit dem Sohn, dann mit der Mutter und schließlich mitbeiden im Bett. Die sexuelle Tabulosigkeit führt schließlich zu demtragischen Ende.
Es ist ein erstaunliches Missgeschick: Historische Ereignisseerscheinen auf der Leinwand gänzlich unrealistisch. ÜberstilisierteBilder und minimalistisch reduzierte Dialoge («Tony ist, was er ist.»Antwort: «Tony ist nicht, was er ist.») lassen eine Künstlichkeitentstehen, die den Zuschauer trotz des dramatischen Verlaufs seltsamunberührt lassen.
Das Drehbuch wird mit literarischen Zitaten angereichert. Kaumwird der Künstler Marcel Duchamp erwähnt, schon urteilt einProtagonist über Barbara Baekeland mit dem berühmten Duchamp-Bonmot«Ihr ist heiß am Hintern» («L.H.O.O.Q.» - «Elle a chaud au cul»).
Nach Freuds Thesen begehrt jeder Mann im Geheimen seine Mutter.Die Sache ist nur: Zum realen Akt kommt es fast nie. Wenn FreudsThesen so realistisch und schlüssig sind wie die Bilder und Dialogein diesem Film, dann ist «Wilde Unschuld» ganz bestimmt kein Wasserauf die Mühlen der Psychoanalytiker.