Kinostart: 30. November Kinostart: 30. November: «Der die Tollkirsche ausgräbt»

Hamburg/dpa. - Wenn im Stummfilm einer spricht, geht es nicht mitrechten Dingen zu. In Franka Potentes Regiedebüt «Der die Tollkirscheausgräbt» geschehen in der Nacht vor der Hochzeit seltsame Dinge. Manschreibt das Jahr 1918, ein Mädchen aus verarmtem Haus soll mit einemungeliebten Individuum verheiratet werden und verfällt einemseltsamen Wesen aus einer anderen Welt. Mit einem originellen kleinen Stummfilm, 43 Minuten lang, hat sich die Schauspielerin FrankaPotente als Regisseurin ausprobiert.
Potente steigt zurück in die Tage des Kintopps und desexpressionistisch romantischen Schauermärchens, zitiert undpersifliert die Manierismen, um das silent movie schließlich in einerabsurden Wende mit Geräuschen aus der Zukunft zu unterwandern.
In Ceciles (Emilia Sparagna) Elternhaus bewegen sich alle etwassteif und kommunizieren über Schrifttafeln. Der Hund spielt mit einemweißen Band, das aus dem Rasen wächst. So wird eine Mumie entdeckt,die plötzlich die Tonspur beansprucht: Ein Berliner Punk (ChristophBach), der, umgeben von einer Aura von Geräuschen, spricht! Wortebleiben trotzdem überflüssig, weil sich die durch ein JahrhundertKinogeschichte getrennten Figuren sowieso nicht über gesprocheneDialoge verständigen können.
Der spontanen Liebe zwischen Cecile und dem Punk genügen dieAusdrucksformen des Stummfilms und das schauerlich schöneTollkirschen-Ritual in der Nacht. Man mag diese Spielerei Kleinkunstdes Lichtspiels nennen, aber sie ist mit Liebe zur Tradition desKinos und seiner Technik inszeniert. Kameramann Frank Griebe («DasParfum») hat die Schwarzweiß-Welten in genretypischen Bildernsynchronisiert. Von Innovation kann bei diesem Spiel mit Zitaten kaumdie Rede sein. Eher davon, dass alle Beteiligten offensichtlich ihrenSpaß hatten. So lässt sich dieses Artefakt aus dem 21. Jahrhunderteindeutig als Liebhaberstück klassifizieren.