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Kinostart 29. April Kinostart 29. April: «Baarìa» -Tornatores Hommage an seine sizilianische Heimat

Von Birgit Heidsiek 22.04.2010, 08:22
Peppino (l, Francesco Scianna) und Mannina (Margareth Made) in einer Szene aus dem Kinofilm «Baaria - Eine italienische Familiengeschichte» . (FOTO: DPA)
Peppino (l, Francesco Scianna) und Mannina (Margareth Made) in einer Szene aus dem Kinofilm «Baaria - Eine italienische Familiengeschichte» . (FOTO: DPA) dpa-Film

Hamburg/dpa. - Aus diesem Spiel wird erjäh herausgerissen, als er an den Tisch der Karten spielenden Männerngerufen wird. Der kleine Knirps soll ihnen Zigaretten holen. Wenn eres schafft zurück zu sein, noch ehe die Spucke der Männer auf demBoden trocken ist, winkt ihm eine Belohnung. Der ehrgeizige Jungesetzt sich sofort in Bewegung und rennt immer schneller, bis erschließlich in der Luft zu schweben scheint. In seinem jüngsten Werk«Baarìa - Eine italienische Familiengeschichte» schildert der Oscar-gekrönte italienische Regisseur und Autor Giuseppe Tornatore («CinemaParadiso», «Die Legende vom Ozeanpianisten») in opulenten Kinobilderndas Leben einer sizilianischen Familie über einen Zeitraum von dreiGenerationen.

Mit dieser liebevollen Hommage an seine sizilianische Heimat hatTornatore im vergangenen Jahr die 66. Internationalen Filmfestspielein Venedig eröffnet. Zudem war der Film, der mit einem Budget vonrund 25 Millionen Euro als der bislang teuerste italienischeSpielfilm gilt, Anfang des Jahres für einen Golden Globe als besterfremdsprachiger Film nominiert - unterlag schließlich aber MichaelHanekes «Das weiße Band».

Im Zentrum der Geschichte steht der stolze Sizilianer Peppino(Francesco Scianna), der trotz aller politischen und persönlichenIrrungen und Wirrungen für Freiheit, Liebe und Gerechtigkeit kämpft:engagiert, ehrlich, erbittert. «Ich habe das Drehbuch über vieleJahre im Kopf gehabt», erklärt Tornatore, der wie schon in «CinemaParadiso» und «Die Legende vom Ozeanpianisten» auch in diesemSpielfilm die Welt aus den Augen eines Kindes betrachtet.

Sein Ansatz dabei war, einen Film über diese einzigartige undzeitlose Phase seines Lebens in Baarìa drehen, als das Universum inder Via Gioacchino Guttuso 114 begann, sich vom Piazza Madriceentlang der Allee des Corso Umberto I. entfaltete und am Kreisverkehrvon Palagonia endete. »Es sind alles in allem nur ein paar hundertMeter», sagt der Filmemacher. «Aber wenn Du sie jahrelang auf- undabgehst, kannst Du Dinge lernen, die Dich die ganze Welt niemalslehren wird.»

Da ein Großteil der Schauplätze im Film heute nicht mehrexistiert, gehörte das Setdesign bei dieser Produktion zu den größtenHerausforderungen. Als Drehort für diese aufwendige Familien-Sagawählte Tornatore Tunesien, wo bereits ein Jahr vor Drehbeginn mit demAufbau der Filmkulissen begonnen wurde. «90 Prozent sämtlicherSchauplätze in Baarìa sind Nachbauten», erläutert Tornatore. Die 350Bühnen- und Kulissenbauer verarbeiteten dafür insgesamt 1200Kubikmeter Bauholz. «Das Schwierigste war, diese Sets zum Leben zuerwecken», erzählt der Regisseur. Da die Geschichte über einenZeitraum von mehreren Jahrzehnten spielt, mussten sich die Kulissengemeinsam mit den Figuren verändern.

Die 25-wöchigen Aufnahmen, die viermal wegen schlechtem Wetter undaus organisatorischen Gründen unterbrochen werden mussten,erstreckten sich über zehn Monate. Für die mehr als 2600 instellungendieser Großproduktion holte der italienische Star-Regisseur 63Schauspieler, 147 Laiendarsteller, 35 000 Komparsen sowie 1500 Tierevor der Kamera. Als extrem aufwendig erwies sich auch dieNachbearbeitung mit mehr als 1100 visuellen Effekten und rund 3200Filmschnitten. Als Filmkomponisten für den imposanten Scoreengagierte Tornatore den italienischen Oscar-Preisträger EnnioMorricone, der 27 Originalmusikmotive für diesen Film schrieb sowie30 Repertoirestücke auswählte, die mit mehr als 1431 Musikernaufgenommen wurden.

Mit «Baarìa - Eine italienische Familiengeschichte» liefertTornatore einen bildgewaltigen Monumentalfilm, der durch seinemalerische Szenerie und attraktive Hauptdarsteller besticht,emotional jedoch längst nicht die Tiefe von «Cinema Paradiso»erreicht. Der kleine Junge, der in diesem Film als Tornatores AlterEgo fungiert, bildet dabei die Klammer für eine ausschweifendeHistorien-Saga, in der das Publikum aufgrund der vielen Figuren sowieder Kaleidoskop-artigen Struktur mit zahlreichen Brüchen undWendungen zunehmend die Übersicht verliert.

Insofern bietet Tornatores neues Werk nicht mehr als eintouristischer Kurztrip nach Sizilien, bei dem pittoreske Panoramen amBetrachter vorbeiziehen: Die Besucher können die Schönheit des Landesgenießen und die Anmut und den Stolz der Menschen bewundern, aber sieverstehen nicht, was diese in ihrem Inneren bewegt.