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Kinostart 27. März Kinostart 27. März: «Schmetterling und Taucherglocke»

Von Birgit Heidsiek 20.03.2008, 09:40
Jean-Dominique Bauby (Mathieu Amalric) sitzt in einer Szene des Films "Schmetterling und Taucherglocke" am Steuer eines Autos. Es ist eine Verfilmung der Autobiografie von Jean-Dominique Bauby, der 1995 im Alter von 43 Jahren einen Gehirnschlag erlitt und fortan als Gefangener im eigenen Körper lebte. Foto: Prokino
Jean-Dominique Bauby (Mathieu Amalric) sitzt in einer Szene des Films "Schmetterling und Taucherglocke" am Steuer eines Autos. Es ist eine Verfilmung der Autobiografie von Jean-Dominique Bauby, der 1995 im Alter von 43 Jahren einen Gehirnschlag erlitt und fortan als Gefangener im eigenen Körper lebte. Foto: Prokino Prokino

Hamburg/dpa. - Verschwommene Silhouetten wechseln sich mitzuckenden Lichtblitzen ab, zwischen denen Fetzen von grünenMediziner-Kitteln sichtbar werden. Im Hintergrund ist ein leisesStimmengewirr zu vernehmen. Plötzlich tritt ein Arzt in denVordergrund und erklärt dem aus dem Koma erwachten Patienten (MathieuAlmaric) mit freundlicher Sachlichkeit, dass er am Locked-in-Syndromleide. Das geschockte Schlaganfall-Opfer versucht zu antworten, dochseine Mitmenschen können ihn nicht hören.

In dem ergreifenden Kinodrama «Schmetterling und Taucherglocke»vermittelt der amerikanische Regisseur und Maler Julian Schnabel(«Basquiat», «Bevor es Nacht wird») packend das Innenleben eines vonKopf bis Fuß gelähmten Mannes, der nur noch über das Blinzeln mitseinem linken Auge mit der Außenwelt kommunizieren kann. Bei den 60.Internationalen Filmfestspielen in Cannes erhielt Schnabel für diesesüberwältigende Meisterwerk den Regie-Preis.

Mit «Schmetterling und Taucherglocke» bringt Schnabel dengleichnamigen Roman des lebenslustigen «Elle»-Chefredakteurs Jean-Dominique Bauby auf die Kinoleinwand, der im Alter von 43 Jahrendurch einen massiven Schlaganfall mitten aus dem Leben gerissen wurdeund 14 Monate später starb. Damit sich Bauby der Außenwelt mitteilenkonnte, wurde ein spezielles Alphabet entwickelt, in dem dieBuchstaben nach ihrer Häufigkeit in der französischen Sprachegeordnet sind. Durch das Blinzeln mit seinem linken Auge gelang esihm, Buchstabe für Buchstabe, Wort für Wort ein ganzes Buch zudiktieren, das zu einem internationalen Bestseller wurde. «Ich wolltediese Geschichte unbedingt verfilmen, um zu zeigen, wie jemand inseinem eigenen Körper gefangen ist», erklärt Schnabel. «Jean-Do hatmit der Taucherglocke die richtige Metapher dafür gewählt, denn darinbefindet er sich auf dem Grund des Ozeans und kann nicht entfliehen.»

Durch die Schädigung seines Hirnstammes ist der Journalist undVater von zwei Kindern, der gutes Essen, Reisen und schöne Frauenliebte, plötzlich hilflos an den Rollstuhl gefesselt. «Nur meineFantasie und Erinnerungen sind nicht gelähmt», konstatiert Bauby.«Dadurch kann ich meiner Taucherglocke entkommen.» Erinnerungen,Rückblenden sowie die Kommunikation mit seinen Betreuern undBesuchern geben Aufschluss über sein bisheriges Leben, aber auch dieSchuldgefühle, dass er seine Frau (Emmanuelle Seigner) und Kinderverlassen hat. «Jean-Do hat sich selbst immer als Gewinner gesehen»,so Schnabel, «doch erst diese Krankheit hat es ihm ermöglicht, seinwahres Wesen zu finden.»

«Diese Story konnte nur aus seiner Perspektive erzählt werden»,erklärt Schnabel. «Der subjektive Kamera-Blickwinkel war schon einBestandteil im Drehbuch von Ronald Harwood.» In einigen Szenen, indenen die Umgebung aus der Sicht des Schlaganfallpatienten teilweisenur unscharf zu erkennen ist, setzte der Regisseur der Kamera deshalbseine Brille auf. «Mein Ziel war, für diesen Film Bilder zu kreieren,die noch nie zuvor auf der Leinwand zu sehen waren.» Für die Szene,in der das rechte Auge von Jean-Do zugenäht wird, fixierte er mitKlebstoff ein paar Wimpern auf einem Latextuch und zog dieses überdie Kameralinse. «Eines unserer Teammitglieder wusste, welche Stichegemacht werden müssen, um das Auge zuzunähen», sagt Schnabel. «DenZuschauern geht diese Szene ganz gewaltig unter die Haut.»

Mit visueller Wucht entfaltet der amerikanische Regisseur in«Schmetterling und Taucherglocke» auf magische Weise die Innenweltseines Protagonisten, der erst nach diesem tragischen Unfall zu sichselbst findet. Trotz des harten Schicksals lässt Schnabel niemalsMitleid mit ihm aufkommen, sondern zeigt, wie er selbstironischversucht, diese Lektion über das Leben zu bewältigen. Durch dieunmittelbare Konfrontation mit Tod und Krankheit wird sein Blick aufdie Außenwelt zunehmend geschärft. Auf der spannenden Reise in dasInnenleben des Menschen gerät der Zuschauer zu einem Komplizen, derihn als einziger richtig verstehen kann. Mit diesem außergewöhnlichenKinofilm, der in poetischen Bildern die Höhen und Tiefen unseresDaseins beschreibt, ist Schnabel eine großartige Hymne an das Lebengelungen.