Kinostart 26. Mai Kinostart 26. Mai: «Wer ist Hanna?»

Berlin/dapd. - Als sich Hanna reiffühlt, in die Welt zu gehen, aktiviert sie einen Funkkontakt.Waldschrat Erik rasiert sich, kleidet sich in feinen Zwirn undverschwindet. Hanna wird von martialischen Soldaten abgeholt und ineinem CIA-Geheimversteck medizinisch untersucht. Nun kann sie jeneMission erfüllen, die Erik ihr eingetrichtert hat. Der Auftakt desActionthrillers «Wer ist Hanna?» ist vielversprechend bizarr.
Aus dem kuscheligen Paralleluniversum einer Blockhütte, in derHanna als einzige literarische Zerstreuung die Grimm'schen Märchenliest, wird das Mädchen in eine Zivilisation geworfen, die nach ihrunbekannten Regeln funktioniert. Klar ist anfangs nur, dass Hannaeine gewisse Marissa Wiegler killen muss - die ihrerseits allesdaransetzt, die Halbwüchsige und ihren Vater auszuschalten. Hannabeginnt eine atemlose Odyssee von Finnland über Marokko bis zurEndstation Berlin, die sich als eine von Märchenmotiven durchzogeneInitiationsreise entpuppt.
Aus der kuscheligen Blockhütte in den ostdeutschenPlattenbau
Das hört sich leider interessanter an, als es letztlichinszeniert ist: Regisseur Joe Wright, mit «Abbitte» alsstilbewusster Kostümfilmer bekannt geworden, gelingt nur phasenweiseder Spagat zwischen anspruchsvollem Kunstfilm und spannendemActionthriller. Wunderbar ist zwar die Besetzung, in der SaoirseRonan, die zuletzt im Märchendrama «In meinem Himmel» als ruhelosesVergewaltigungs- und Mordopfer auftrat, diesmal eine aufregendeMischung aus unschuldig blondem Rauschgoldengel und gnadenloserKillerin verkörpert. Wehrhafte Girlies sind zurzeit sehr in Mode,wie auch die Heldinnen in «True Grit» und «Kick Ass» zeigen.
Hannas erbitterte Gegnerin ist Cate Blanchett alsrothaarig-hexenhafte Geheimdienstgröße Marissa Wiegler, die nach demPrinzip «unfinished business» eine Scharte aus ihrer Vergangenheitauswetzen muss. Eric Bana als Hannas Beschützer absolviert unteranderem eine mörderisch elegante Verfolgungsjagd und macht auchsonst eine gute Figur. Und als Berliner Oma taucht kurz derostdeutsche Altstar Gudrun Ritter auf, die sich zuletzt mit«Boxhagener Platz» in Erinnerung rief. Last not least gibt es nocheine britische Familie, deren pubertierende Kinder die seltsameHanna unterwegs aufgabeln.
Märchenhafter Spagat zwischen Kunst und Ballerei
Leider fällt das Schicksal dieser netten Wohnmobil-Urlaubervöllig unter den Tisch. Überhaupt beweist der Thriller, der nebenExplosionen und Ballereien auf meditativ-abgründige Momente setzt,eine erstaunlich sorglose Brutalität. Links und rechts fallen dieLeichen, ohne dass ihnen weitere Beachtung geschenkt wird. AuchHannas Kulturschock angesichts der realen Welt hätte mehrLeinwandzeit verdient. Sobald sie in Europa ankommt, passierenüberdies zahlreiche Anschlussfehler. Ihr Reisekurs besonders inDeutschland scheint vor allem von den regionalen Förderanstalten,die den Film mitfinanzierten, bestimmt.
Das mit überdeutlichen Anspielungen aufgeblasene Geheimnis ihrerIdentität dürfte selbst ein nur durchschnittlich gewiefterKinogänger schnell erahnen; tatsächlich kann Hanna mit ein paarInternet-Clicks das Wichtigste herausfinden. So geht angesichts derimmer abstruseren Jagd, in der ein tumber Skinhead-Verfolger und dieunvermeidlichen ostdeutschen Plattenbauten präsentiert werden, diezuvor sorgsam aufgebaute Spannung allmählich flöten. Zum Showdownkommt wieder mal der Berliner Spreepark mit seinen symbolträchtigenGruselfiguren zum Einsatz; das wirkt dann leider nur noch verstiegenstatt originell.
(«Wer ist Hanna?», Actionthriller, USA/Großbritannien/Deutschland2011, 111 Minuten, FSK: 16, Verleih: Sony, Regie: Joe Wright,Darsteller: Saoirse Ronan, Eric Bana, Cate Blanchett, Tom Hollanderu.a.)