Kinostart: 23. April Kinostart: 23. April: «Dorfpunks»

Hamburg/dpa. - Doch statt fetziger Klänge überrascht ein Bandmitglied(Pit Bukowski) die Gymnasiasten mit einem politischen Pamphlet. ImBrustton der Überzeugung erklärt der Musiker, dass sie niemalsPlatten aufnehmen werden, um nicht die «faschistischen Mechanismen»der Industrie zu bedienen. Nach dieser provokativen Ansage verlässtdie Band sang- und klanglos den Saal. Mit seinem neuen Spielfilm«Dorfpunks» liefert der norddeutsche Regisseur Lars Jessen («Am Tagals Bobby Ewing starb», «Schimmelreiter») eine augenzwinkerndeReminiszenz an die 80er Jahre, in denen die pulsierende Punk-Bewegungihr eigenes Lebensgefühl schuf: ablehnend, aufsässig, aufrührerisch.
Die Vorlage zu dieser mitreißenden Entwicklungskomödie stammt vondem Musiker Rocko Schamoni, der 2004 den gleichnamigen Erfolgsromanveröffentlichte. Jessen hatte Schamoni über den Entertainer und AutorHeinz Strunck kennengelernt und war von diesem Stoff fasziniert.«Rocko beschreibt darin sehr ehrlich und leidenschaftlich seineJugend, ohne sich selbst dabei zu ernst zu nehmen», sagt Jessen.«Diese Offenheit hat mich berührt.» Zudem kannte er aus seinereigenen Jugend das Gefühl, niemals dort zu sein, wo die Musik spielt.«Ich glaube an eine allgemeingültige Provinz-Identität», erklärt derRegisseur.
Gelangweilt vertreiben sich die jungen Punkrocker mit Dosenbier amLagerfeuer die Zeit, prügeln sich mit den Bauernjungen oder mischeneine Geburtstagsparty in einem gutbürgerlichen Einfamilienhauskräftig auf. Und sie träumen von Mädchen und Musik. Doch nach demgescheiterten Konzert spaltet sich die Clique. Während sich das AlterEgo von Schamoni (Cecil von Renner) musikalisch von einem Kneipenwirt(Axel Prahl) inspirieren lässt, gehen seine Kumpel (Ole Fischer,Daniel Michel) ihre eigenen Wege.
Bei der Auswahl der «Dorfpunks» setzte Jessen ausschließlich aufLaiendarsteller, die er zum Teil über Radio-Aufrufe fand. «DasCasting war für mich die schwierigste Aufgabe bei diesem Film.» Umdie jungen Darsteller auf ihre Rollen vorzubereiten, engagierte erPeter Jordan als Coach, bei dem sie im Schnelldurchlauf eineSchauspielschule absolvierten. Da die jungen Akteure zum Teil selbstin Bands mitspielen, gingen sie zunächst sehr perfektionistisch andie Musik heran.
«Im Film sollten sie ihr Instrument jedoch überhaupt nichtbeherrschen, denn Punkrock hieß, ein Instrument zu haben und einfachloszulegen», betont der Regisseur. «Deshalb haben wir sie mit denInstrumenten von damals in eine Scheune gesperrt und ihnen zweiStunden Zeit für einen Song gegeben. Die Musik war ein ganzwesentliches Element für die Darsteller, um sich in die damalige Zeithinein zu versetzen.»
Mit den ausgewählten Stücken von den Stranglers, Slime oder KFCspiegelt auch der Soundtrack die Musik aus dieser Zeit wieder. Dabeistand Schamoni dem Filmteam als Musikberater zur Seite. «Wir habenvon Anfang an den Drehbuchautor Norbert Eberlein mit Musik bemustert,so dass wir frühzeitig wussten, welche Songs wir für den Filmbrauchen. Dennoch haben die Musikrechte einen sechsstelligen Betraggekostet und damit einen Großteil unseres Budgets verschlungen.
In «Dorfpunks» bringt Jessen das Lebensgefühl seiner jungenProtagonisten authentisch auf die Leinwand, die von dem Dranggetrieben werden, aus der Enge der spießigen Kleinstadt auszubrechen.Ähnlich wie der deutsche Erfolgsregisseur Detlev Buck in seinenfrühen Werken setzt auch Jessen dabei auf trockenen Humor und kurze,knappe Dialoge, die den rauen, norddeutschen Charme widerspiegeln.Die verschiedenen Lebensentwürfe und Vorstellungen sind bezeichnendfür die 80er Jahre, in denen die Punkmusik für nicht wenigeJugendliche eine identitätsstiftende Bedeutung hatte. Jessenvermittelt die zwischen Lust und Frust befindliche Lebenshaltung der«No Future»-Generation so hautnah wie ein echtes Punk-Konzert.