Kinostart: 19. Juni Kinostart: 19. Juni: «Julia»

Hamburg/dpa. - «Es war großartig für mich, mit voller Wucht einenkomplizierten Charakter an der Grenze fern der Grenzen üblicherBiografien spielen zu dürfen», sagte die britische Star-Aktrice.
Tatsächlich absolviert Tilda Swinton in dem frei nach JohnCassavetes legendärem Film-Melodram «Gloria» aus dem Jahr 1980realisierten Thriller eine schauspielerische «Tour de Force».Vehement verkörpert sie eine Alkoholikerin, die aus Geldnot zurVerbrecherin wird und verzweifelt versucht, einen von vornhereinaussichtslos erscheinenden Kampf gegen ein ganzes Heer gewiefterGangster zu gewinnen.
Tilda Swinton ist «Julia», eine Säuferin, Amateurnutte undnotorische Lügnerin. Freunde hat die Mittvierzigerin kaum. Permanentsteckt sie in finanziellen Nöten. Bei einem Treff der AnonymenAlkoholiker lernt sie Elena (Kate del Castello) kennen. DieMexikanerin bittet Julia darum, ihren beim schwerreichen Großvaterlebenden Sohn Tom (Aidan Gould) zu entführen. Das Lösegeld sollgeteilt werden. Wieder einmal verzweifelt auf der Jagd nach Dollars,zieht Julia den Coup allein durch. Sie will die gesamte Summe fürsich. Doch mit der Verzweiflungstat entfesselt sie geradezu einenOrkan brutaler Gewalt, der sich vor allem gegen sie selbst zu richtendroht.
Uraufgeführt wurde der von Regisseur Eric Zonca rasant inszeniertePsychokrimi im Februar dieses Jahres im Wettbewerb derInternationalen Filmfestspiele Berlin. Beim Berlinale-Publikum fandder Film ein geteiltes Echo. Die einen waren hingerissen von TildaSwintons extrovertiertem Spiel, viele andere störten sich an ihrermitunter fast exhibitionistisch anmutenden Darstellung und empfandendiese als überzogen.
Die Wirkung des Films auf den einzelnen Zuschauer hängt in der Tatenorm davon ab, wie sehr er sich Tilda Swintons Performance hingebenkann oder nicht. Dabei zieht jedoch wohl jeder den Hut vor dem Mutder Schauspielerin zur Hässlichkeit. Derart schonungslos wurde derVerfall einer Frau durch Alkoholmissbrauch im Kino wohl noch niegezeigt. Swinton beschönigt nichts, ob sie die Protagonistin nunbetrunken zeigt oder bei schmierigem Sex.
Besonders interessant ist daneben, wie Tilda Swinton dieGefühlskälte der Frau aufdeckt, ohne sie als Luder zu denunzieren.Julia wird durchaus als Opfer einer Gesellschaft gezeigt, in der fastnur noch die Stromlinienförmigen und Angepassten Aussicht aufdauerhaften Erfolg haben. Schade, dass die Handlung mitunter logischeFehler aufweist, die das Geschehen mehr und mehr unglaubwürdigerscheinen lassen und deshalb die Spannung nehmen.
Für die 1960 geborene Tilda Swinton hat der Film neben derErfüllung ihrer schauspielerischen Leidenschaft eine weitere wichtigeBedeutung, wie sie betonte: «Hier ist endlich wieder einmal ein Filmentstanden, der beweist, dass eine Frau jenseits des Teenie-Altersdie aufregende Hauptfigur in einem ernsthaften Spielfilm für dasbreite Publikum sein kann.»