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Kinostart: 11. August Kinostart: 11. August: «Weltverbesserungsmaßnahmen»

Von Andrej Sokolow 04.08.2005, 18:24
Eine OP-Szene aus dem Film «Weltverbesserungsmaßnahmen». (Foto: dpa)
Eine OP-Szene aus dem Film «Weltverbesserungsmaßnahmen». (Foto: dpa) Concorde

Hamburg/dpa. - In acht Episoden stellensie verrückte Ideen für das von Jammern und Selbstmitleid zerfresseneDeutschland vor. Und auch wenn die Vorschläge ob ihrerUnbrauchbarkeit kaum Aufbruchstimmung erzeugen, gelungen ist den zweiBerliner Filmemachern eine großartige Mediensatire.

«Wenn man heute die Welt verbessern will, muss man den Menschenverbessern, damit er sich mit seiner Welt wieder zurechtfindet»,heißt es gleich am Anfang des Films. Da gibt es auch einen Kurs zumgleichzeitigen Anfahren an der Ampel, mit dem Staus reduziert werdensollen. Und den Mann, der versucht, die Autos auf einem großenBerliner Parkplatz nach Farben zu sortieren, einfach so, der Ästhetikwegen. Oder die Idee, als Mensch weniger Energie zu verbrauchen undaus dem Gesparten dann Strom zu erzeugen. Und in allen Fällen weißein und derselbe Mann, der «Experte Dr. Johannes Schleede»,fachmännisch die Vorteile der Neuerung zu erläutern.

Die Geschichten kommen als Mischung aus grobkörnigen 70er-Jahre-Bildungsfilmen und Doku-Drama verpackt, dem heute allgegenwärtigenReality-TV-Format aus Interviews und mitgeschnittenen Szenen. DasErschreckende ist, diese Kamera-Beichten, bei denen ein Pizza-Fahrersein Innenleben offenbart oder ein Erfinder leuchtenden Blickes vonder Zeit schwärmt, wenn alle Welt dank seiner dicken Sohlen wie erdie perfekte Größe von 1,90 Meter hat, diese Flut von Sinnleere,Worthülsen und Mitteilungsbedürfnis könnte so jederzeit im Fernsehenlaufen und würde dabei kaum auffallen.

Und gerade darin liegt die wunderbare subversive Wirkung desFilms. Der Unsinn mogelt sich als Ernst getarnt in Bewusstsein, unddann wird das Ganze durch die lückenlose Absurdität des Ganzen zurFarce. Und auch die tägliche Reality-TV-Berieselung dürfte danachnicht mehr ernst zu nehmen sein. Auch eine Weltverbesserung.

«Wir brauchen mehr Spinner, die sich trauen, einer fixen Idee zufolgen, selbst wenn sie völlig unsinnig erscheint», sagen die Ko-Regisseure Jörn Hintzer und Jakob Hüfner. Und mit so etwas kennen siesich aus. Erst haben sie seit 2000 an einem Internet-Kunstprojektmitgemacht. Dann haben sie sich den abendfüllenden Film vorgenommen.Eine erste Förderung kam schon 2001, doch wegen einer Haushaltssperrekonnte die erste Episode erst im März 2003 gedreht werden. Und erstjetzt - mehr als zwei Jahre später - kommt das Werk in die Kinos.

«Weltverbesserungsmaßnahmen» ist vielleicht kein Film, bei dem mansich vor Lachen krümmt. Aber immer wieder schmunzelt. Es sind dieSituationen und die Mischung aus ernster Miene und totalem Quatsch,die für gute Unterhaltung sorgen. Und bei der Blinddarm-OP imWindergarten in «Aktive Krankenversicherung» kommt sogar echterNervenkitzel auf.

Wie im echten Leben ist es natürlich die Realität, die zurZerreißprobe für die Weltverbesserer wird. Wie kann der naiveErfinder des 1,90-Meter-Schuhs gegen wölfische Geschäftsleutebestehen? Wie soll das gut gehen, wenn ein 35-jähriger «Leihbruder»nach einem schlechten Traum zu seinen neuen «Eltern» ins Bett will?Und wer würde schon seinem Sohn den Blinddarm von einemwurstfingrigen Automechaniker herausoperieren lassen oder einen Euro-Schein haben wollen, der nach wenigen Tagen zu blankem Papier wird?Immerhin kann man das neue Geld auch danach beim Erfinder wiederzurücktauschen - für fünf Prozent Kommission, versteht sich.