Kinostart: 10. November Kinostart: 10. November: Sklaverei in «Manderlay»

Hamburg/dpa. - Seinen Anti-Amerikanismus pflegt der Däne Lars vonTrier seit Jahren mit Erfolg. Schon «Dancer In The Dark» (2000) warvon Kritik am ungerechten Kapitalismus durchtränkt. In «Dogville»(2003) standen dann Ausbeutung, Vorurteil und Gewalt am Pranger.«Manderlay», der nach «Dogville» zweite Teil seiner offiziellenAmerika-Trilogie, widmet sich dem Thema Sklaverei: Der Film istweitaus klüger und differenzierter, als es von Triers gern geäußerteverbale Provokationen gegen die US-Regierung vermuten lassen.
«Amerika sitzt auf der ganzen Welt», schimpfte der 49-Jährige imMai bei den Filmfestspielen in Cannes, wo «Manderlay» im Wettbewerblief, aber keinen Preis bekam. Das Land habe einen schlechtenEinfluss - «nicht nur, weil Mr. Bush ein Arschloch ist». Die dänischeZeitung «Berlingske Tidende» widmete der Beleidigung einenLeitartikel und schrieb: «Von Trier ist ein begabter Filmregisseur,aber als politische Figur unbegabt und primitiv.»
Die unbestrittene Begabung des Filmemachers zeigt auch «Manderlay»als streng theaterhaft inszenierte Parabel über die äußerenBedingungen und inneren Auswirkungen von Sklaverei. Wie schon«Dogville» wurde der Film komplett in einer großen Halle gedreht. AlsRequisiten reichen ein paar alte Türen, Betten, Mauerreste.Markierungen wie «Baum» auf dem Boden und bewusst künstliches Lichtunterstützen den bühnenartigen Verfremdungseffekt. Keine Frage,«Manderlay» ist meisterlich inszeniert. Aber die stilistischeÜberraschung hat sich nach dem Vorgänger «Dogville» abgenutzt.
Die junge US-Schauspielerin Bryce Dallas Howard tritt alsGangstertochter Grace beherzt und überzeugend in die Fußstapfen vonNicole Kidman, die nach «Dogville» wohl doch keine Lust hatte, sichnochmal in die Mangel von Triers zu begeben. Grace verbindet naivenIdealismus mit der brutalen Macht, die ihr die bewaffneten Männerihres Vaters (Willem Dafoe) verleihen.
Per Zufall kommt sie in den 20er Jahren an der BaumwollplantageManderlay in Alabama vorbei. Ein Mann wird ausgepeitscht, einschwarzer Arbeiter. Grace entdeckt entsetzt, dass in Manderlay - 70Jahre nach der gesetzlichen Abschaffung der Sklaverei - noch Sklavengehalten werden. Als die Herrin der Plantage (Laureen Bacall) stirbt,stürzt sich Grace - abgesichert durch die Gangster ihres Vaters - inein soziales Experiment: Sie will die Menschen umerziehen und ihnenDemokratie und «Freiheit» bringen.
Dass sie sich vom stolzesten Kerl der Gruppe (Isaach de Bankolé)freiwillig sexuell demütigen lässt, zerstört ihre ohnehin schwachePosition vollends. Grace meint es gut und macht alles falsch. Siescheitert an ihrer eigenen, anmaßenden Dummheit und der Angst derSchwarzen vor der schwierigen Selbstbestimmung.
«Manderlay» ist ein klassisches Lehrstück im Sinne BertoltBrechts. Am Beispiel von Grace ätzt Lars von Trier gegen ein Amerika,das die eigenen Werte rigoros über die Werte fremder Kulturen stelltund als bewaffneter «Freiheitsbringer» die Welt unsicher macht.Parallelen zum Auftreten der US-Armee in Ländern wie Irak sinddurchaus beabsichtigt.