Kinofilm «Schutzengel» Kinofilm «Schutzengel»: Til Schweiger fährt große Geschütze auf

Halle (Saale)/MZ. - Mit dem Genrekino im Allgemeinen und dem Action-Thriller im Besonderen tut man sich hierzulande schwer. Ein Actiondrama erfordert zwingend eine Heldenstruktur. Und deutsche Heldenfiguren, womöglich noch mit der Waffe im Anschlag, werden traditionsgemäß belächelt. Der Freund des gepflegten Feuergefechts lässt fast alles durchgehen, was unsere Kinos aus Richtung Amerika, Großbritannien oder Frankreich erreicht. Coolness wird bei einem internationalen Reißer vorausgesetzt, nicht in Frage gestellt. Wenn es aber um Deutschland geht, wird geflissentlich Maß gehalten. Es könnte sich ja sonst jemand aufregen.
Til Schweiger hat das kommerzielle einheimische Kino der letzten Jahre als Produzent, Autor, Regisseur und Schauspieler geprägt wie kein Zweiter. Romantische Komödien wie "Keinohrhasen" oder "Kokowääh" treffen den Nerv eines Millionenpublikums. Mit diesen Erfolgen im Rücken wagt Schweiger nun einen Vorstoß auf das verbotene Terrain. Das Action-Drama "Schutzengel" wartet mit überlebensgroßen Zerstörungsorgien auf und schickt die Schurken reihenweise in die ewigen Jagdgründe. Das, soviel sei versprochen, hat man so noch nicht gesehen.
Was als harmloses, hormongesteuertes Abenteuer zweier Jugendlicher beginnt, endet tödlich. Die Waise Nina (Luna Schweiger) muss hilflos miterleben, wie ihr Begleiter von einem Geschäftsmann im feinen Zwirn (Heiner Lauterbach) erschossen wird. Dem Mädchen gelingt vorerst die Flucht, aber der ertappte Waffenhändler setzt alle Hebel in Bewegung, um die Zeugin mundtot zu machen. Die Staatsanwaltschaft nimmt Nina ins Zeugenschutzprogramm auf.
Max (Til Schweiger), ein Kriegsveteran des Kommandos Spezialkräfte, übernimmt mit seinen Leuten den Personenschutz. Wie ernst es die Verfolger meinen, wird beim Überfall einer schwer bewaffneten Gangsterclique auf die vermeintlich sichere Wohnung deutlich. Offensichtlich kann man selbst der Polizei nicht trauen…
Schweiger fährt die großen Geschütze auf, er erdet seine Geschichte aber in mehrfacher Hinsicht im deutschen Alltag des Jahres 2012. Die Geschichte thematisiert das Trauma der deutschen Kriegsheimkehrer und kritisiert den von Regierungskreisen zumindest geduldeten Waffenhandel mit dubiosen Staaten.
Das alles passiert freilich am Rande, zum politischen Filmemacher ist Schweiger nicht geworden. Der Schwerpunkt der Geschichte liegt auf der sich zögerlich entwickelnden Beziehung zwischen der Waise Nina und ihrem väterlichen Freund Max. Hier kann der Regisseur einmal mehr die Trumpfkarte ausspielen, talentierte Kinder zu haben. Magische Momente zwischen Luna Schweiger und ihrem Vater sorgen für einen stimmigen emotionalen Unterbau.
In "Schutzengel" geben sich große deutsche Schauspielerinnen und Schauspieler die Klinke in Hand, oft sind auch kleinste Rollen namhaft besetzt. Die Darsteller hatten offensichtlich Spaß daran, in Berlin und Umland die Fetzen fliegen zu lassen. Die sehr ordentlich choreographierten Kampfszenen verleugnen nicht ihre Vorbilder. Überhaupt wird der Genrefreund zahlreiche Parallelen zu Filmen wie "Auf der Flucht" oder zu Tarantinos Werken entdecken, was sicher nicht ehrenrührig ist.
Die Weichen sind gestellt, nun wird sich zeigen, ob das Publikum auf der Action-Schiene "Made in Germany" mitfahren will. Schweiger indessen geht auf Nummer sicher und dreht die Fortsetzung von "Kokowääh". Es wäre für die Kinolandschaft sicher nicht von Nachteil, wenn der Mut zu ein wenig mehr Vielfalt belohnt würde.