1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Kammeroper Schloss Rheinsberg: Kammeroper Schloss Rheinsberg: Die Werkstatt der Stimmen

Kammeroper Schloss Rheinsberg Kammeroper Schloss Rheinsberg: Die Werkstatt der Stimmen

Von Andreas Hillger 25.07.2004, 16:19

Rheinsberg/MZ. - Ganze 13 Festspiel-Sommer mussten vergehen, ehe die Kammeroper Schloss Rheinsberg ihr erstaunliches Repertoire erstmals für diesen Meister öffnete. Über die Gründe darf angesichts des ansonsten breit gefächerten Barock-Interesses vor Ort spekuliert werden - zumal das Ergebnis die bisherige Zurückhaltung mehr als bedauerlich erscheinen lässt. Aber vielleicht musste ja tatsächlich erst ein Altmeister wie der Regisseur Harry Kupfer auftauchen, ehe man von Namen wie Monteverdi und Vivaldi, von Graun und Gluck zu diesem Schwergewicht vorstoßen konnte. Nun ist er da - und macht seine Sache gut.

Das Konzept von "Otto und Theophanu" besteht schlicht darin, dass man die Kammeropern-Situation ernst nimmt. Wo sich junge Sängerinnen und Sänger aus aller Welt um die Partien reißen, betont der Routinier Kupfer mit seinem bewährten Ausstatter Hans Schavernoch die Werkstatt-Atmosphäre. Damit verhindert er jede unkritische Anverwandlung der Figuren. Schon vor der Ouvertüre treten die sechs Solisten als Bühnenarbeiter und Garderobieren in Erscheinung, wenn sie auf der Wellenbahn zwischen den Zuschauertribünen die Requisiten überprüfen und die Kostüme in den Schnürboden hängen. Danach ist ihnen ein letzter Blick in die Noten gestattet - und ein offenes Lächeln ins Publikum.

Damit sprengt man nicht nur die "vierte Wand", sondern reißt auch die übrigen drei nieder: Das Ensemble spielt nicht im illusionistischen Schutzraum, sondern muss sich seine Position vor aller Augen immer wieder erobern. Um die Verletzlichkeit dieses Spiels noch zu betonen, tragen die Künstler unter historischen Überwürfen ihre Gegenwart auf dem Leib - und treten immer wieder aus ihren Rollen, um sich als Mensch zu zeigen.

Kupfer arrangiert mit federleichter Hand und gestattet so eine völlig neue Wahrnehmung: Hier erzählen sich heutige Zeitgenossen eine alte Geschichte, deren verworrene Märchenhandlung lächerlich wäre - wenn sie durch die Musik nicht immer wieder vertieft würde. Da kann es denn geschehen, dass in mancher Szene eigentlich unbeteiligte Sänger vom höchsten Arien-Affekt auf die Bühne gerufen werden, um ihre Freunde oder Feinde vor dem Absturz in den Wahn zu bewahren.

Dass sie tief fallen könnten, glaubt man angesichts der Höhenflüge sofort: In der Qualität der Stimmen ist Rheinsberg schließlich längst nicht mehr für Überraschungen gut, sondern verteidigt seinen guten Ruf. Und so hört man in der hinreißend jungen Olga Peretyatko und in der von ihrem Schmerz verdunkelten Veselina Teneva, in der sanften Kraft des Andreas Taubert und im Donnerbass von Yasushi Hirano Stars von morgen, die heute bei Bedarf auch noch mit Puppen spielen.

Dass sie das auf Deutsch tun, dürfte eine Makel für die Fans der historischen Aufführungspraxis sein - ebenso wie die Instrumentierung des Preußischen Kammerorchesters Prenzlau, das unter Leitung von Roger Boggasch dennoch tapfer mitspielt. Ein gefeierter Abend!

Nächste Vorstellungen: Dienstag sowie am 28., 30. und 31. Juli, jeweils 20 Uhr