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Jugendwort des Jahres Jugendwort des Jahres: Zwischen Epic und Yolo

Von roland mischke 26.11.2012, 20:11

berlin/MZ. - Die Jugend ist ehrlich. Und sie hat einen präzisen Blick auf ihresgleichen. "Komasutra" zum Beispiel. Laut der sechsköpfigen Jury des Langenscheidt Verlags, die sich auf die Suche nach dem Jugendwort des Jahres gemacht hat, schildert der verhunzte Begriff einen "versuchten Geschlechtsverkehr zwischen zwei sehr betrunkenen Personen".

Das wird unter jungen Leuten gern betratscht. Am Wochenende schleppt einer, der reichlich Alkohol konsumiert hat und hemmungslos agiert, eine ab, und in der Woche darauf sickert durch, dass er es nicht gebracht oder sie es irgendwann nicht mehr gewollt hat. Im Alkohol-Rausch oder -Koma ist es eben ein weiter Weg zu den artistischen Leistungen beim Sex, die das Kamasutra zur Luststeigerung empfiehlt. Im Wettbewerb brachte es "Komasutra" auf den fünften Platz.

Vor fünf Jahren hat der Verlag von Florian Langenscheidt zusammen mit der Zeitschrift "Spiesser" zum ersten Mal das Jugendwort des Jahres gekürt. 2008 fing es makaber an mit "Gammelfleisch-Party", eine Bezeichnung von Leuten in den Zwanzigern, mit dem sie Leute bedachten, die sich auf Über-30-Partys tummeln. 2009 folgte als Sieger das - durchaus umstrittene Wort - "hartzen", womit weniger Arbeitslosigkeit als Rumhängen gemeint war. 2010 gewann "Niveaulimbo", die Wortschöpfung umschrieb das Absinken des geistigen Niveaus der selbsternannten so genannten Elite. 2011 dann schaffte es "Swag" auf den obersten Platz, abgeleitet von einer Liedzeile des amerikanischen Rappers Soulja Boy. Bezeichnet wurde damit eine lässige, coole Ausstrahlung. In diesem Jahr hat "Yolo" es geschafft, zusammengesetzt aus den Anfangsbuchstaben des Satzes "You only live once", also: "Du lebst nur einmal".

Das Jugendwort des Jahres wird nicht allein von der Jury erwählt, sondern aus Einsendungen ausgesucht - in diesem Jahr gab es rund 40 000 Vorschläge, überwiegend aus der Zielgruppe. Das Siegerwort zeigt die starke Vernetzung der virtuellen mit der realen Kommunikationsebene. Was ins Netz gelangt und gefällt, rutscht in die Umgangssprache. Das Akronym "Yolo" ist deshalb so interessant, weil es eines der Schlagwörter ist, die auf charakteristische gesellschaftliche Ereignisse und mentale Stimmungen hinweisen. In einer Zeit des politisch-ökonomischen Niedergangs ist die Erinnerung daran, dass man nur ein Leben hat, unter jungen Leuten weit verbreitet. Der Begriff will aber nicht nur Erinnerungswort sein, sondern ein Rat zum Nachdenken und Mutmacher.

Der Hamburger Kunsthistoriker Wolfgang Kemp hatte im Vorfeld klargestellt, dass die Begriffe der Jugendsprache allenfalls an die 25 Jahre aktuell sind, also in einer Generation. Wörter wie "geil" oder "cool" halten sich etwa so lange, andere dagegen wie "derb" oder "krass" hatten eine viel geringere Halbwertzeit. Am Beispiel des Begriffs "episch", der 2011 ein Favorit im Wettbewerb war, zeigte Kemp, dass er aus den Fantasy-Welten der Computerspiele stammt. "Episch" ("epic") heißt hier "lang" oder "spannend", ein Wort, das junge Leute kaum noch aufgreifen.