Jubiläum Jubiläum: 50 Jahre «ndl - neue deutsche literatur»
Berlin/dpa. - Eine Literaturzeitschrift, die ohne Unterbrechung 50 Jahre lang erscheint, hat in Deutschland Seltenheitswert. Die im Osten gegründete «ndl - neue deutsche Literatur» überstand die Wende - und das verdankt sie auch ihrem Namen. Im wiedervereinigten Deutschland war der Name ein geradezu «symbolisches Kapital», meint Chefredakteur Jürgen Engler im dpa-Gespräch. Das 50-jährige Jubiläum wird in Etappen gleich mehrfach begangen. Das 547. Heft (Januar/Februar) als Geburtstags-Präsent steht unter dem Motto «Vom Missglücken und vom Glücken». Was sich durchaus als Anspielung auf die «ndl»-Geschichte verstehen lässt.
Die Zeitschrift des DDR-Schriftstellerverbandes war im Januar 1953 erstmals erschienen. Ihre ersten Chefredakteure waren die prominenten ostdeutschen Schriftsteller Willi Bredel und F.C. Weiskopf. Als Redakteurinnen arbeiteten unter anderem Irmtraud Morgner, Eva Strittmater und Christa Wolf mit. Wolf hält als Beirats-Mitglied der «ndl» noch immer die Treue. An ihrer Seite wirken unter anderem Christoph Hein, Peter Härtling und Adolf Muschg.
In der Jubiläums-Ausgabe ist der älteren Autorengeneration, darunter Volker Braun, Adolf Endler, Heinz Czechowski, Brigitte Kronauer, Rainer Kirsch, B.K. Tragelehn, Johannes Kühn und Franz Hodjak, viel Platz eingeräumt worden. Die Jungen mit Tanja Dückers oder Steffen Mensching bekommen bei einem Festakt zum 50. Bestehen am 21. März während der Leipziger Buchmesse das Wort. Als Sondernummer ist eine «ndl»-Chronik für Mitte des Jahres geplant.
Die überregionale Literaturzeitschrift setzt auf die «ganze Vielfalt» deutschsprachiger Literatur. Gedruckt wird nur Belletristik als Erstveröffentlichung, wobei deutsche, österreichische und Schweizer Autoren Vorrang haben. Texte von Schriftstellern wie Grass, Wolf, Muschg oder Walser gelten natürlich als Aushängeschild, sagt Engler. Wichtiger aber noch ist die Funktion der «ndl» als Podium unbekannter Autoren. Ralf Bönt, Georg Klein, Katrin Dorn, Martin Jankowski oder David Wagner, die in jüngster Zeit neue Romane vorlegten, waren zuvor hier mit ihren Texten zu lesen.
Das Auf und Ab der DDR-Kulturpolitik mit ihren dogmatischen und liberalen Phasen ist auch anhand der «ndl»-Geschichte ablesbar. Engler weiß: «Stolpersteine gab es genug.» Zu den Tabu-Themen gehörte zum Beispiel alles, was mit «Reisen und Ausreisen» verbunden war. Als 1979 der DDR-Schriftstellerverband neun seiner Mitglieder, darunter Stefan Heym und Rolf Schneider, wegen ihres Protestes gegen die Biermann-Ausbürgerung ausgeschloss, führte das in der Folge zu Niveauverlusten, die die «ndl»-Leser sehr wohl spürten. Während die einen Autoren nicht mehr gedruckt werden durften, verweigerten sich andere aus Sympathie für die Gemaßregelten.
Engler (57), der die Redaktion seit 1995 leitet, hatte bereits von von 1979 bis 1987 dort gearbeitet. Einen «geistigen Gewinn» nennt er den Erhalt der Zeitschrift über die Nachwendezeit. Ende 1990 war die «ndl» vom Berliner Aufbau-Verlag übernommen und nach dessen Privatisierung von Verleger Bernd F. Lunkewitz weitergeführt worden. Ein paar Federn musste auch sie lassen: Statt der jährlich zwölf Ausgaben gibt es noch sechs. Zu DDR-Zeiten hatte sie eine Auflage von 11 500 Exemplaren, jetzt sind es 3000 Stück.