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Jubel und Buhrufe für «Faust» an der Staatsoper

Von Esteban Engel 25.02.2009, 10:27

Berlin/dpa. - An der Berliner Staatsoper ist die Premiere von Charles Gounods Goethe-Oper mit gemischten Gefühlen aufgenommen worden. Während Sänger und Orchester mit Ovationen bedacht wurden, musste sich Regisseur Karsten Wiegand lautstarke Kritik aus dem Publikum anhören.

Die Solisten um Bass-Star René Pape als Mephisto, den amerikanischen Tenor Charles Castronuovo in der Titelrolle und die Russin Marina Poplavskaya als Margarethe ernteten langanhaltenden Applaus. Auch der französische Dirigent Alain Altinoglu und die Staatskapelle Berlin wurden für ihre facettenreiche Interpretation gefeiert.

Wiegand, seit 2008 Operndirektor am Deutschen Nationaltheater Weimar, versetzte die sehr frei nach Goethe komponierte und 1859 uraufgeführte Oper in eine diffuse Zeit, halb Moderne, halb Mittelalter. Gounods französischer Faust, der wie bei Goethe seine Seele dem Teufel zum Tausch für ewige Jugend vermacht, interessiert sich aber nicht so sehr dafür, «was die Welt im Innersten zusammenhält», sondern viel mehr für das andere Geschlecht.

So landet das ungleiche Duo in Designeranzügen in der Disco, auf der sich über drei Etagen die jungen Menschen amüsieren. Blinkende Spielautomaten und Flipper-Maschinen beherrschen die Szene. Treppen verbinden die verschiedenen Ebenen, auf denen der Chor wie eine Roboterarmada in drangvoller Enge auf- und absteigt. Das Verhältnis zwischen dem Liebe suchenden Faust und der holden Margarethe entwickelt sich weitgehend auf Distanz. Es gibt weder ein Anhimmeln noch Verführungsblicke - Wiegand lässt das Paar ziemlich allein in seinem Liebesleiden. Im Hintergrund agiert Mephisto als diabolischer Regisseur.

Nach der Pause spielt das Stück vor fast leerer Bühne. Die schwangere Margarethe wird zur Babymörderin. In der Rolle des Priesters schließt der Teufel sie aus dem Kreis der Gemeinschaft aus. Mit der Babyleiche rast Margarethe in den Wahnsinn. Blutüberströmt begegnet sie Faust ein letztes Mal. Der macht sich aber mit Mephisto aus dem Staub. Und dann tritt Margarethe im Schlussbild vor das letzte Gericht - eine Tafelrunde im Smokingkostüm.

Wiegand gelingt es nicht, den roten Faden dieser sehr weit weg vom Goethe-Original liegenden Faust-Sicht zu finden. Zwar scherte sich Gounod (1818-1893) nicht viel um das urdeutsche Dilemma des wahrheitssuchenden Magisters. Dem Franzosen geht es vor allem um die Bedingungen der Liebe. Doch Faust ist hier eine Zwitterfigur - weder junger «Latin Lover« noch der reife Mann in der Midlife-Krise. Doch die Inszenierung wird am Ende im Inneren doch zusammengehalten: von den Sängern, dem Chor und dem Orchester.