Josef Bierbichler spielt «John Gabriel Borkmann»
Berlin/dpa. - Es ist das Stück zur Zeit: An der Berliner Schaubühne lässt Regisseur Thomas Ostermeier Ibsens kaltherzigen und betrügerischen Bankier «John Gabriel Borkmann» auftreten, und sofort denkt der Zuschauer an die jüngsten Meldungen zur Banken- und Finanzkrise.
Mit viel Applaus und zahlreichen Bravo-Rufen ist die Deutschlandpremiere von Ostermeiers dritter Ibsen-Inszenierung gefeiert worden. Nach den Erfolgen mit «Nora» und «Hedda Gabler» zeigt der künstlerische Leiter der Schaubühne nun das Drama um den gescheiterten Bankier, der nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis einzig und allein nach «Genugtuung» schreit.
In der Titelrolle überzeugt Josef Bierbichler als machtbesessener Mann, der auch nach dem finanziellen und emotionalen Absturz an seine Berufung glaubt. Angela Winkler und Kirsten Dene brillieren als ganz gegensätzliche Schwestern, deren Leben von Borkmann fremdbestimmt und zerstört wird.
Ostermeier spart sich dabei Anspielungen auf die derzeitige Weltfinanzkrise und eine plakative Kapitalismuskritik, sondern lässt den erschreckend aktuell wirkenden Text für sich selbst sprechen. Seine gelungene Interpretation von «John Gabriel Borkmann» hatte im Dezember bereits in Rennes in Frankreich Premiere und wird nun auch in Deutschland gezeigt.
Bierbichler zeigt Borkmann als selbstsicheren und selbstgerechten Mann, der nur darauf wartet, dass seine einstigen Widersacher «zu Kreuze kriechen» und merken, dass sie es ohne ihn nicht schaffen. Davon ist er fest überzeugt. «Sonst hätte ich mich schon lange vor einen Zug geschmissen», meint Borkmann. Nicht ausschließlich zu seinem eigenen Wohl will er die Erzvorkommen der Welt ausbeuten, sondern der Menschheit damit zum Fortschritt verhelfen. Doch seine Karriere hat er auf Kosten von Freundschaft, Liebe und Ehrlichkeit gemacht.
Seine Frau Gunhild, großartig desillusioniert gespielt von Kirsten Dene, hasst ihn. Seit ihr Mann alles Geld verloren hat, ist sie von ihrer Zwillingsschwester Ella Rentheim abhängig - der eigentlichen großen Liebe von Borkmann. Angela Winkler spielt diese verletzte, kranke Ella als Frau mit großer Würde und unendlichem Schmerz im Herzen. Nur um auf der Karriereleiter schneller empor klettern zu können, hatte Borkmann einst Ella aufgegeben und seinem beruflichen Gönner angedient, der ein Auge auf die Geliebte geworfen hatte.
Ostermeier entspinnt ein feines Geflecht tragischer Beziehungen und blinder Besessenheit. Borkmanns Gefühlskälte spiegelt sich in Jan Pappelbaums Bühnenbild: die Drehbühne zeigt Wohn- und Arbeitszimmer als zwei kahle Räume mit weißen, schwarzen und stahlgrauen Wänden - künstlicher Nebel lässt die Stimmung gefrieren. Schließlich holt der Tod Borkmann ein. Er stirbt an gebrochenem Herzen.