Johannes Hamel Johannes Hamel: Pfarrer war eine «Gefahr für den Weltfrieden»
Halle/MZ. - Honeckers Satz legte fest, dass "Junge Gemeinde und Studentengemeinde keine Organisationen" sind, sondern Teil der Kirche. Damit wurde der "Kirchenkampf", der ab Mitte 1952 ein hartes Vorgehen gegen kirchliche Jugendgruppen zur Folge hatte, beigelegt.
Dass eine vom halleschen Historiker Andreas Thulin konzipierte Ausstellung über den charismatischen Pfarrer Johannes Hamel - Eröffnung ist Mitte Juni - sich einreiht in die Veranstaltungen zum Aufstand am 17. Juni, verwundert aufs Erste. Denn die Massenproteste fanden in diesen Tagen sozusagen ohne den Segen der Kirche statt, deren Führung meist um Mäßigung bemüht war. Dennoch war auch der Kirchenkampf Folge der politischen Großwetterlage, die seit der SED-Parteikonferenz im Juli 1952 ein drakonisches Vorgehen gegen "Klassengegner" zeitigte. Junge Gemeinde und Evangelische Studentengemeinde waren der SED-Führung, als Konkurrenten der FDJ, ein Dorn im Auge.
Hamel selbst machte sich als Pfarrer der halleschen Studentengemeinde in höchstem Maße verdächtig und wurde, wie André Gursky schreibt (Sachbeiträge 7 der Stasi-Unterlagenbehörde Sachsen-Anhalt), rund um die Uhr von der Stasi beobachtet. Um ihn versammelten sich in den Bibelstunden bis zu 450 Studierende; er nahm nie ein Blatt vor den Mund, verglich Stalin bereits 1950 mit Hitler und und empfahl Christen, den Aufbau der DDR stets kritisch zu begleiten.
Hamel war auch Realist und rechnete schon im Sommer 1952 mit seiner Verhaftung: Walter Ulbricht persönlich hatte ihn als westlichen Agenten bezeichnet. Vorerst jedoch verstärkte man, unter Mithilfe des Uni-Rektors Leo Stern, den Druck auf die Studentengemeinde, die öffentlich als "Tarnorganisation für Kriegshetze, Sabotage und Spionage" gebrandmarkt wurde. Am 12. Februar 1953 schließlich wurde Johannes Hamel auf einer Zugfahrt nach Erfurt festgenommen und in den "Roten Ochsen" nach Halle gebracht, später dann nach Berlin-Hohenschönhausen: Den SED-Verantwortlichen war der Einfluss der evangelischen Studenten in Halle zu groß geworden. Eine Begründung für die Festnahme: Hamel habe "den Frieden der Welt gefährdet". Einflussreiche Freunde aus dem Ausland, unter ihnen der Theologe Karl Barth, setzten sich für seine Freilassung ein.
In zahllosen nächtlichen Vernehmungen rückte dieser nicht von seiner Haltung ab, die auch geprägt war vom Geist der christlichen Nächstenliebe: "Meine Vernehmer", sagte er später, "waren ebenso in Gottes Hand wie ich". Als Pflicht empfand er es, "dem anderen das Evangelium zu bekunden".
Mit einem der Vernehmer verband Hamel gar so etwas wie Freundschaft. 1997 gestand der Stasi-Mann: "Für mich waren dies sehr anregende Gespräche, ich habe sie genutzt, um mein damals bescheidenes Wissen zu erweitern." Nach seiner Entlassung war Hamel zwei weitere Jahre Studentenpfarrer, danach Dozent an der Kirchlichen Hochschule in Naumburg. Noch nahm 1997 an einer Gedenkveranstaltung im "Roten Ochsen" teil. Im vorigen Jahr ist er gestorben.
Ausstellung ab 14. Juni in der Evang. Studentengemeinde Halle, Puschkinstraße 27. Zeitzeugen werden gebeten, sich unter 0345 / 470 13 90 bei Andreas Thulin zu melden.