Joachim Kaiser Joachim Kaiser: «Der letzte Mohikaner»
München/dpa. - Ostpreuße von Geburt, Adorno-Schüler aus Überzeugung und Kritiker aus Leidenschaft - auf diesen drei Säulen fußt ein pralles Kritikerleben unter dem Kürzel JK. Bei Joachim Kaiser sind Werk und Künstler in guter Obhut, immer spürt der Leser den Respekt vor der künstlerischen Leistung. Er steht für das klassische Feuilleton, das nicht belehrt, aber lustvoll beschreibt. Sich selbst sieht der Musik-, Literatur- und Theaterkritiker, der am Donnerstag (18. Dezember) seinen 75. Geburtstag feiert, augenzwinkernd als «letzten Mohikaner» seiner Zunft.
Schon früh hat der Landarztsohn aus Milken zu einem persönlichen, unverwechselbaren Stil gefunden. Als «menschenfreundlicher Kritiker und glühender Liebhaber» der Literatur, Musik und des Theaters schreibe er «klar und durchsichtig», bescheinigte ihm sein namhafter Kollege Marcel Reich-Ranicki bei der Verleihung des Börne-Preises (1993), dessen erster Träger Kaiser war. München würdigte seinen auch international anerkannten «Großkritiker» 1997 mit dem Kulturellen Ehrenpreis der Stadt.
Kaiser hatte sich als Autor der «Frankfurter Hefte», durch seine Beiträge beim Hessischen Rundfunk und in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» sowie als «jugendlich genialer» Kritiker in der «Gruppe 47» schon zu Anfang seiner Karriere einen Namen gemacht. Dabei sah er es immer als wichtigste Aufgabe an, als Vermittler der Schönen Künste zu wirken. Der «Verriss» liegt ihm genauso fern wie das «Schmeichlerische, das nur den Kunstgenuss, das Vergnügen herausstreicht», wie die Münchner Jury 1997 hervorhob.
Seine journalistische Laufbahn begann Kaiser nach einem Studium der Germanistik, Philosophie und Soziologie, das er mit der Dissertation über «Grillparzers dramatischen Stil» abschloss, 1951 bei der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Von 1954 bis 1958 war er Redakteur beim Hessischen Rundfunk und ist seit 1959 Leitender Redakteur bei der «Süddeutschen Zeitung» in München. Von 1977 bis 1996 lehrte er an der Hochschule für Musik und Darstellende Künste in Stuttgart.
Beim Bayerischen Rundfunk (BR) gestaltete Kaiser die beliebten Hörfunk-Reihen «Kaiser's corner», «Die Zeitschriftenschau» und «Kaisers Konzertführer». Neben seinen unzähligen Kritiken sowie Funk- und Fernsehauftritten trat er auch als Buchautor hervor. 1965 schrieb das Buch «Große Pianisten in unserer Zeit», zehn Jahre später «Beethovens 32 Klaviersonaten und ihre Interpreten». 1977 erschien unter dem Titel «Erlebte Musik» eine Sammlung seiner Kritiken und Aufsätze über das Musik- und Konzertleben aus 30 Jahren, die er 1994 überarbeitete und erweiterte.
In den vergangenen Jahren veröffentlichte Kaiser, der dem deutschen PEN-Zentrum angehört und Mitglied der deutschen Akademie für Sprache und Dichtung ist, unter anderem die Werke «Leonard Bernsteins Ruhm» (1988), «Leben mit Wagner» (1990) und «Was mir wichtig ist» (1996). Vor vier Jahren kamen die Besprechungen der Werke seiner Lieblingskomponisten Bach, Beethoven, Brahms, Chopin, Mozart und Schubert unter dem Titel «Kaisers Klassik: Da capo. 100 Meisterwerke der Musik» sowie «Von Wagner bis Walser. Neues zu Literatur und Musik» heraus.
Das Münchner Literaturhaus ehrt den Jubilar unter dem Titel «Ich bin der letzte Mohikaner» mit einer Ausstellung (18. 12. bis 22.2.), in deren Zentrum sein bisher unveröffentlichter Briefwechsel mit den «Dichtern, Richtern und Verlegern seiner Generation» steht.