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Japan Japan: Mangas beherrschen zunehmend die deutsche Comic-Szene

Von Klaus Tscharnke 18.06.2004, 16:44

Erlangen/dpa. - Sie hielten das Interesse lange Zeit für einen nur kurzfristigen Boom. Inzwischen hat dieses Comic-Genre den Durchbruch geschafft: Die Comic-Importe aus Japan sind fester Bestandteil der deutschen Comic-Kultur, wie Fachleute auf dem bis Sonntag dauernden Internationalen Comic-Salon in Erlangen einmütig betonen.

Nach Angaben von Comic-Salon-Sprecherin Christina Walz dominieren Mangas seit Jahren die Programme aller vier großer deutscher Comic-Verlage. 80 Prozent des deutschen Comic-Umsatzes werde inzwischen mit den japanisch inspirierten Bildergeschichten gemacht. Klassische Comics fristen in vielen Verlagen nur noch ein Schattendasein oder werden in Kleinverlagen als Nischenprodukte gepflegt. Gewinne werfen sie indes kaum noch ab; das große Geld spülen Walz zufolge die Mangas in die Verlagskassen.

Dabei sind selbst Branchen-Insider von den Atem beraubenden Wachstumsraten der Manga-Comics überrascht. Allein der Kölner Egmont-Verlag verzeichnete noch 2003 - im fünften Jahr des Mango-Booms - nach Angaben von Verlagschef Georg Tempel einen Umsatzzuwachs von 30 Prozent bei Mangas; für dieses Jahr veranschlagt er einen Zuwachs von 10 bis 15 Prozent. Allerdings werde es mit dem Wachstum so wohl nicht weitergehen. Denn mit dem neu gegründeten Tokyopop-Verlag eines Ex-Managers des Marktführers Carlsen sitze bereits ein weiterer Konkurrent in den Startlöchern, gibt Tempel zu bedenken.

Dabei ist das Angebot an Bildgeschichten über smarte Superhelden, gewiefte Hexen und engelhafte Feenwesen für die Zielgruppe der 8- bis 20-Jährigen schon jetzt unüberschaubar. Allein der Hamburger Carlsen Verlag, der 80 Prozent seines Umsatzes mit Mangas macht, ist mit rund 100 Serien auf dem Markt. Monatlich erscheinen nach Angaben von Verlagssprecherin Franziska Siehndel 16 bis 18 neue Titel. Bei Egmont sind es rund 20 monatliche Neuerscheinungen. Sie erreichen Spitzenauflagen von mehr als 100 000 Exemplaren. Was sie von Micky-Maus-Heften unterscheidet: Sie werden wie die japanischen Originale von hinten nach vorn gelesen.

Anhänger des klassischen Comics rümpfen freilich gern die Nase über die seichten Abenteuer pubertätsgeschüttelter Heldinnen und ihre erotischen Verwirrungen. Anspruchsvolle Comic-Sammler werden sich wohl auch nie mit den billig anmutenden Schwarz-Weiß-Zeichnungen der Mangas abfinden, schätzen Fachleute. Sie greifen lieber - wie der 35 Jahre alte Aschaffenburger Comic-Sammler Thomas Schäfer - zu aufwendig gestalteten, bis zu 60 Euro teuren farbig durchgestylten Comic-Bänden. 12 000 Stück hat Schäfer bereits zu Hause, der für Fachleute allerdings eine aussterbende Spezies in der Szene ist.

Comic-Expertin Walz warnt freilich vor einer Unterschätzung der Manga-Comics. Gerade bei Mädchen gipfele die Manga-Manie häufig in einem gesteigerten Interesse an Japan. «Die Mädchen fangen plötzlich an, sich für japanische Kultur zu interessieren, manche lernen Japanisch.» Andere entschieden sich gar für ein Japanologie-Studium. Damit sei Manga eine Form von Kulturaustausch. «Welches Medium schafft das heute noch?» Auch auf dem Comic-Salon findet der Trend zu fernöstlicher Kultur seinen Ausdruck: In einer original ausgestatteten Teehütte können sich Manga-Jünger von einem Teemeister in die japanische Tee-Zeremonie einführen lassen.