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J. R. R. Tolkien J. R. R. Tolkien: Vor 50 Jahren erschien «Der Herr der Ringe»

Von Christoph Driessen 10.08.2004, 09:38
Verschroben und erfolgreich: J. R. R. Tolkien. (Foto: dpa)
Verschroben und erfolgreich: J. R. R. Tolkien. (Foto: dpa) dpa

London/dpa. - Vor 50 Jahren, im August 1954, erschien ein Buch eines verrückten englischen Professors, der manchmal als Axt-schwingender Wikinger die Nachbarn erschreckte. Im Laden legte er zusammen mit dem Geld schon mal sein Gebiss auf die Theke, und im Vorlesungssaal konnte es vorkommen, dass er über Kobolde referierte.

Kein Wunder dass der Verleger Rayner Unwin das Buch als «großes Risiko» einstufte und vor einem Verlust von 1000 Pfund warnte. Der Autor hieß John Ronald Reuel Tolkien (1892-1973), und das Buch war der erste Teil der dreibändigen Reihe «Der Herr der Ringe».

Tolkien selbst hatte frühzeitig gewarnt: «Zu lang und zu kompliziert» sei das Werk. Der schnörkellose, etwas großväterliche Erzählstil war in höchstem Maße altmodisch, und inhaltlich ging es - beispiellos für ein Erwachsenenbuch - um Zauberer, Elfen und Zwerge. So mancher Kritiker tat die Neuerscheinung mit einer Auflage von 3500 Exemplaren denn auch als «Mischung aus Richard Wagner und "Pu der Bär"» ab. Dennoch wagte der Verleger schon bald die Hoffnung auszusprechen, mit dem Buch nicht 1000 Pfund zu verlieren, sondern 1000 Pfund zu verdienen.

Es wurden dann sogar noch etwas mehr. Mit einer Auflage von über 160 Millionen ist «Der Herr der Ringe» heute eines der meistverkauften Bücher überhaupt und gilt als Mutter aller Fantasy-Romane und -Filme. Hollywood verdankt ihm seine erfolgreichste Filmreihe: Allein der dritte Teil von Peter Jacksons «Herr der Ringe»-Verfilmung holte elf Oscars, spielte 800 Millionen Euro ein und war damit nach «Titanic» der erfolgreichste Film der Kinogeschichte.

Kaum ein anderes Buch hat so viele unterschiedliche Generationen und Kulturen angesprochen wie «Der Herr der Ringe». Sein Verfasser war ein erzkatholischer, stockkonservativer Altsprachler im Tweed-Anzug, doch zum Kultbuch wurde es durch die Hippies der 60er Jahre, die im Fantasie-Reich Mittelerde eine Gegenwelt, ein besseres Utopia sahen. Und während es Tolkien darum ging, mit seiner Erzählung eine angelsächsische Mythologie nach dem Vorbild deutscher und skandinavischer Heldensagen zu begründen, wurde der von ihm geschilderte Kampf gegen den Dunklen Herrscher Sauron bald universell als Spiegel aller möglichen Konflikte betrachtet: Im Vietnam-Krieg stießen US-Soldaten in einem abgelegenen Teil des Landes auf Einheimische, die sich Saurons Auge auf ihre Schilder gemalt hatten.

Ein wesentliches Element für die andauernde Faszination der Tolkienschen Trilogie ist, dass sie durch den umfangreichen Anhang mit Erklärungen und die beiliegenden Landkarten fast wissenschaftlich wirkt. Der Autor erfand «Elbisch» und Dutzende anderer Sprachen mit jeweils eigener Grammatik, bevor er überhaupt mit «Der Herr der Ringe» begann. Jede Ausschmückung seiner Welt warf neue Fragen auf, denen er mit dem Ernst und Eifer eines Forschers nachging.

Diese Neigung war der Grund dafür, dass Tolkien in seinen letzten 20 Lebensjahren nichts Größeres mehr veröffentlichte, obwohl er fortwährend arbeitete. Mit dem «Silmarillion» wollte er noch tiefer in die Geschichte Mittelerdes zurückreichen, doch obwohl er schon kurz nach dem Ersten Weltkrieg damit begonnen hatte, konnte er es nicht abschließen: Seine Vorstellungskraft wucherte immer weiter. Das «Silmarillion» wurde schließlich 1977 posthum von seinem Sohn publiziert.