Interview mit Ulrich Deppendor Interview mit Ulrich Deppendor: Adrenalin im Spiel

berlin/MZ - Seit Jahren interviewt ARD-Moderator Ulrich Deppendorf (63) Spitzenpolitiker. Gemeinsam mit seinem Kollegen Rainald Becker lädt der Leiter des ARD-Hauptstadtstudios auch diesen Sommer immer sonntags um 18.30 Uhr die Politprominenz zum „Bericht aus Berlin – Sommerinterview“. Am Sonntag ist Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu Gast. Mit Ulrich Deppendorf sprach Martin Weber.
Herr Deppendorf, die diesjährigen „Sommerinterviews“ mit Spitzenpolitikern finden mitten im Wahlkampf statt. Spüren Sie in solchen Zeiten bei Ihren Gesprächspartnern den erhöhten Druck?
Deppendorf: Ja, natürlich, da ist während der Gespräche schon etwas mehr Adrenalin im Spiel als sonst. Wir merken das aber auch schon im Vorfeld, weil es in den mit Veranstaltungen vollgepackten Wahlkampfzeiten einfach ein bisschen schwieriger ist, die Interviews mit den Spitzenkandidaten zu terminieren.
Was für Möglichkeiten haben Sie denn, einen Politiker im Sprechblasenrausch auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen?
Deppendorf: Na ja, man kann ihn zum Beispiel schneller unterbrechen als sonst, aber das muss natürlich mit Augenmaß geschehen. Ich bin kein Freund davon, einen Gesprächspartner schon nach dem zweiten Satz zu unterbrechen und mit der nächsten Frage zu überfallen. Ich finde, man muss dem anderen auch die Chance geben, einen Gedanken zu Ende zu führen. Möglicherweise muss man dann aber nachhaken und diesen Gedanken etwas länger traktieren, als ursprünglich vorgesehen war.
Glauben Sie, dass die „Sommerinterviews“ die Bundestagswahl beeinflussen können?
Deppendorf: Ich glaube zwar nicht, dass so ein Interview ein Wahlergebnis in sensationellem Maße beeinflussen kann, aber ich denke schon, dass es zur Willensbildung bei den Zuschauern beitragen kann – und damit auch zur Wahlentscheidung. Nur ein Beispiel: Als Philipp Rösler im vergangenen Jahr bei uns gesagt hat, Griechenland müsste eigentlich raus aus der EU, da war das wochenlang Gesprächsthema.
Wie viele von den Fragen, die Sie etwa der Kanzlerin in der Sendung stellen, sind vorher abgesprochen?
Deppendorf: Keine einzige. Es gibt keinerlei Abstimmung bei den Fragen, das haben wir noch nie gemacht und das machen wir auch künftig nicht. Weder die Kanzlerin noch die anderen Gäste wissen, welche Fragen sie erwarten.
Auf welchen Gast freuen Sie sich besonders?
Deppendorf: Ein Interview mit Gregor Gysi ist immer interessant und auch eine Herausforderung, weil das ein gewiefter Gesprächspartner ist, der immer ganz lange reden will, damit möglichst wenige Fragen gestellt werden können.
Vor wem haben Sie Bammel?
Deppendorf: Bammel habe ich vor niemandem, aber Angela Merkel ist schon herausfordernd. Peer Steinbrück auch, das ist ein cleverer Ping-Pong-Spieler, bei dem es zu spontanen kurzen Frage- und Antwort-Spielen kommen kann, bei denen man hochkonzentriert sein muss. Er ist rhetorisch glänzend, das muss man wirklich sagen.
Haben Sie sich auch schon einmal mit einem Politiker zerstritten?
Deppendorf: Ja, das ist auch schon passiert. Als ich vor vielen Jahren den früheren Bundeskanzler Helmut Kohl in der Hochzeit der CDU-Spendenaffäre interviewt habe, ging es ganz schön zur Sache. Aus dem ursprünglich für eine Sendezeit von acht Minuten geplanten Interview wurde eines von fast 25 Minuten Länge, das hat sich zu einem regelrechten Kampf entwickelt. Danach hat mich Kohl lange Zeit geschnitten.
Im Fernsehen: ARD-Sommerinterview mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Sonntag um 18.30 Uhr. Es folgen Gespräche u.a. mit Gregor Gysi (Die Linke, 18. August) und Peer Steinbrück (SPD, 25. August).