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Interview mit Robert Redford Interview mit Robert Redford: "Geld kauft Stimmen"

20.07.2013, 12:02
Entspannt, aber nicht immer bequem: Film-Star Robert Redford mischt sich auch gern in die Politik seines Landes ein.
Entspannt, aber nicht immer bequem: Film-Star Robert Redford mischt sich auch gern in die Politik seines Landes ein. DPA Lizenz

Halle/MZ. - Er wirkt wie einer der Männer aus der Marlboro-Werbung: In Blue Jeans und kariertem Hemd sitzt er da, die oberen Knöpfe sind geöffnet. Er hat immer noch dichtes, volles Haar, sein leicht gebräuntes Gesicht ist von tiefen Falten durchzogen. Fehlten nur noch Cowboyhut, Lagerfeuer und ein Pferd und man hätte sofort den Eindruck, in einen seiner legendären Westernfilme geraten zu sein. Aber wir sitzen mit Robert Redford nicht in der amerikanischen Prärie, sondern in einem Pariser Hotel an den Champs-Élysées. Doch er schafft es auch an diesem Ort, Bilder von jener Weite amerikanischer Landschaften herbeizuschwärmen. So sehr er die Natur seiner Heimat liebt, so kritisch sieht er den Politik-Betrieb in den USA. Bis heute ist der 76-jährige Schauspieler und Regisseur ein Kritiker der amerikanischen Selbstherrlichkeit und der Korrumpierbarkeit der Politik geblieben. Das zeichnet auch seinen neuen Film „The Company You Keep“ aus. Redford hat Regie geführt und spielt die Hauptrolle.

Mit Robert Redford sprach Martin Scholz.

Mr Redford, mögen Sie Journalisten?

Redford: Ich habe den Journalismus immer respektiert, zumindest jene Form, die es sich zur Aufgabe gesetzt hat, die Wahrheit herauszufinden. Ich liebe diesen Journalismus – und meine Bewunderung für ihn war auch der Grund, warum ich 1976 den Film „Die Unbestechlichen“ gemacht habe.

In dem Dustin Hoffman und Sie die beiden legendären Washington-Post-Reporter Robert Woodward und Carl Bernstein spielen, die den Watergate-Skandal aufdeckten - und so Präsident Nixons Rücktritt erzwangen.

Redford: Ja. Ich finde, dass investigativer Journalismus enorm wichtig für mein Land ist. Journalismus, der die Wahrheit herausfinden will, besonders dann, wenn bestimmte Kräfte genau das verhindern wollen. Während der Nixon-Ära hatte seine Administration ja alles in ihrer Macht Stehende getan, um zu verhindern, dass die Wahrheit ans Licht kam. Unter anderem, dass das Komitee zur Wiederwahl Nixons ehemalige CIA-und FBI-Mitarbeiter beauftragt hatte, in die Wahlkampfzentrale der Demokratischen Partei einzubrechen, um dort unter anderem Abhörgeräte zu installieren. Dass diese beiden Washington-Post-Reporter es dennoch schafften, all das zu beweisen - das war eine Geschichte, die mich brennend interessierte, die ich unbedingt erzählen wollte. Ein Großteil der amerikanischen Öffentlichkeit wusste damals nämlich nicht viel darüber. Ich habe diesen Film aber auch deshalb gemacht, weil mir damals alle prophezeit haben: ,Dieses Projekt bekommst du niemals finanziert. Nixon ist doch längst zurückgetreten und kein Mensch will mehr etwas über Watergate erfahren.’

Aber der Film wurde dann nicht nur von der Kritik gelobt, er hatte auch kommerziellen Erfolg.

Redford: Ja. Das macht mich noch heute stolz. „Die Unbestechlichen“ hatte für die damalige Zeit ein ziemlich hohes Budget – sieben Millionen Dollar. Die Studios sind damals ein Risiko eingegangen. Aber es hat sich gelohnt. Ich glaube allerdings nicht, dass man heute noch so einen Film machen könnte.

Warum nicht?

Redford: Politische Filme gelten heute mehr denn je als Kassengift. Die Studios haben einfach Angst, dass sie die Produktionskosten nicht wieder einspielen. Wobei es mir damals ja gar nicht primär darum ging, den Fall Nixons zu verfilmen, ich wollte eine Geschichte über herausragenden Journalismus erzählen. Wenn wir uns allerdings anschauen, nach welchen Regeln der Politik-Betrieb heute immer noch funktioniert, müssen wir leider feststellen, dass sich seit Watergate nicht viel verändert hat. Gut, Woodward und Bernstein hatten damals Erfolg und Nixon musste nach ihren Enthüllungen sein Amt aufgeben. Aber an den grundsätzlichen Problemen, dem Missbrauch von Macht, der Korrumpierbarkeit, hat sich nicht viel verändert. Immerhin: Es gibt auch heute noch Journalisten, die auf der Suche nach der Wahrheit sind.

Einen zeigen Sie in „The Company You Keep“: Ein junger Reporter enthüllt, dass ein Anwalt vor 30 Jahren zu militanten Vietnamkriegsgegnern gehörte und unter falscher Identität lebt. Der Reporter ist aber kein Idealist - er sieht eine Sensationsgeschichte, mit der er in der immer diffuser werdenden Medien-Landschaft nach oben kommen will.

Redford: Ja, das Internet hat alles verändert. Und zwar so drastisch, dass es für Menschen wie mich, aber auch für große Teile der Öffentlichkeit, kaum noch möglich ist, zu erkennen, was wahr ist und was nicht. Im World Wide Web gibt es zu viele lärmende Stimmen, die alle vorgeben, die Wahrheit zu verkünden - auf Twitter oder wo auch immer. Aber wie soll man bei dieser Flut an Informationen entscheiden können, was davon wahr oder relevant ist? Diese veränderte Medien-Situation hat mich interessiert. Ich wollte der Frage nachgehen: Wo steht der Journalismus heute?

Ein Leitmotiv, das sich durch viele Ihrer Filme zieht, sind die dunklen Seiten des Amerikanischen Traums. Woher kommt der Drang, nach Rissen in der schönen Fassade zu suchen?

Redford: Ich möchte Ihnen dazu eine Geschichte aus meiner Kindheit erzählen. Ich erinnere mich noch gut daran, wie die Regierung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Slogans verbreitete, um die Leute wieder aufzurichten. Einer hat mich als Kind besonders beeindruckt. Er besagte: ,Es ist egal, ob du gewinnst oder verlierst. Wichtig ist nur, wie du das Spiel spielst - darauf kommt es an.’ Das fand ich erst großartig, bis ich später merkte, dass das eine Lüge ist. In meinem Erwachsenenleben wurde mir schnell klar, dass ich in einem Land aufwuchs, in dem Gewinnen alles bedeutete. Als ich Filmemacher wurde, wollte ich diese Diskrepanz zeigen, die Realität hinter all den Slogans. Aus diesem Impuls heraus habe ich Filme wie „Schussfahrt“ oder „Der Kandidat“ gemacht - ich wollte diese Besessenheit, zu gewinnen, bloßstellen. Welchen Preis zahlen wir für diese Gewinnsucht? Diese Frage hat mich, da haben Sie Recht, mein ganzes Leben beschäftigt.

Was Sie Gewinnsucht nennen, ist für viele Ihrer Landsleute der Amerikanische Traum ...

Redford: Träume an sich sind ja nichts Falsches, ganz gleich, ob es amerikanische, deutsche oder schweizerische oder welche auch immer sind (lacht). Der Amerikanische Traum ist ein Mythos, aber sehr viele Menschen sind ihm nachgejagt (lacht). Sehen Sie, im Moment fallen mir viele Dinge ein, die ich im Politikbetrieb meines Landes nicht mag. Außerhalb der Politik ist das anders, da gibt es vieles, was ich an meinem Land nach wie vor sehr liebe – vor allem die Schönheit der Landschaften.

Seit Jahrzehnten kritisieren Sie den Raubbau an der Natur. Haben Sie je Bilanz gezogen, sich gefragt, was es gebracht hat?

Redford: Ich kann nicht sagen, dass mein Engagement irgendwas verändert hätte. Aber was soll ich machen: Dieses Engagement entsprach und entspricht meinem Interesse. Und offensichtlich hat es sich auch immer wieder in meinen Filmen gespiegelt.

Warum ist es aus Ihrer Sicht so schwer, die Umwelt zu schützen?

Redford: Die Antwort ist immer dieselbe. Daran zeigt sich, welche enorme Macht die Energie-Konzerne haben, all die Öl-, Gas- und Kohle-Unternehmen haben unglaublich viel Geld. Und Geld kauft Stimmen. Leider hat sich auch daran nie was geändert. Das kann man immer wieder im US-Kongress beobachten. Das ist auch einer der Gründe, warum unser politisches System so schlecht funktioniert - weil zu viele Politiker gekauft werden können. Sehen Sie sich doch nur die aktuellen Debatten um die Waffengesetze an! Hier in Europa haben Sie in dem Bereich viel strengere Gesetze. In den USA gibt es die nicht. Und in Europa haben Sie viel weniger Probleme mit Waffengewalt als wir. Warum also gibt es da bei uns keine Restriktionen? Weil die Waffen-Lobby, die NRA, so mächtig ist. Weil sie Geld hat. Und dann haben Sie Politiker, die auf dieses Geld ansprechen. Warum? Weil sie ihren Job behalten wollen, weil es ihrem Ego schmeichelt. All die Leute sollten nicht mehr in der Politik sein.

Mr Redford, in Ihrer Karriere gab es einen Regisseur, dem Sie besonders verbunden waren: Sidney Pollack, der 2008 starb. Sie haben sieben Filme mit ihm gemacht, darunter einige Ihrer größten Erfolge wie „Jenseits von Afrika“. Was war es, das Sie immer wieder zusammenbrachte?

Redford: Zunächst einmal war Sidney ein guter Freund von mir. Und er war ja nicht nur Regisseur, sondern auch Schauspieler wie ich. Mein erster größerer Film war „Hinter feindlichen Linien“, 1962, ein Schwarz-Weiß-Film. Sidney Pollack spielte darin auch mit, als mein vorgesetzter Offizier. Wir kamen bei den Dreharbeiten ins Gespräch, wurden Freunde. Wir sprachen über unsere Träume, was wir im Leben vorhatten, über unsere Visionen. Er sagte, dass er nicht glaubte, als Schauspieler Karriere machen zu können. Er sah sich eher auf dem Regiestuhl. Und dann sprachen wir darüber, ob wir mal wieder etwas zusammen machen könnten. Als ich ein paar Jahre später für den Hollywoodfilm „This Property is condemned“ verpflichtet wurde, gab es noch keinen Regisseur. Was hieß: Viele Regisseure hatten abgesagt. Sidneys Name stand ganz unten auf der Liste der Wunschkandidaten. Die Verantwortliche ging in meinem Beisein mit dem Finger die Liste runter, blieb bei ihm hängen und fragte in den Raum: ,Pollack? Kenn’ ich nicht, wer ist denn das?’ Woraufhin ich sagte: ,Oh, er ist großartig, fantastisch, den müsst ihr nehmen.’

Woher wussten Sie das, Sie kannten ihn doch nur als Schauspieler?

Redford: Das stimmt. Ich hatte keine Ahnung, wie er als Regisseur war. Ich wollte ihn nur, weil er mein Freund war (lacht). Seit unserem letzten Treffen hatte er nur bei ein paar TV-Shows Regie geführt. Die Studiobosse trafen ihn und verpflichteten ihn schließlich. Wir beide haben dann hinter den Kulissen an den Drehbuchfassungen gearbeitet, die furchtbar waren. Egal, das war der Beginn einer Arbeitsbeziehung, die uns durch viele Filme getragen hat. Nur einmal bot er mir ein Projekt an, bei dem ich partout nicht mitmachen wollte - den Film „So wie wir waren“.

In dem Sie neben Barbra Streisand spielen - Sie in der Rolle des Studenten aus reichem Haus, Streisand als Marxistin, in die Sie sich verlieben. Was war daran so schlimm?

Redford: In der Urfassung sollte ich so eine Art männliches Model spielen. So kam es mir zumindest vor. Ein Typ, der gut aussah, aber sonst nichts zu tun hatte im Leben. Das war mir zu öde, das wollte ich nicht machen. Ich lehnte ab. Aber Sydney ließ nicht locker: ,Ich möchte wirklich sehr, dass du das machst’, säuselte er. Ich wollte dennoch nicht. Ich sagte ihm, wenn dieser Mann einen Makel hätte, würde ich es mir womöglich überlegen. Und dann haben wir uns zusammen hingesetzt, und die Rolle umgeschrieben.

Sie haben Risse in die schöne Fassade eingearbeitet.

Redford: So haben wir es gemacht. Dann habe ich letztlich doch zugesagt. Weil ich Sidney vertraute, dass er es gut umsetzen würde.