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Interview Interview: Antonio Banderas über Politik und Geschlechtsumwandlungen

Von Martin Scholz 16.10.2011, 16:32

Halle (Saale)/MZ. - Wenn er schnell spricht, sich ereifert, saugt er zwischen den Sätzen immer wieder hastig die Luft ein. Nimmt man noch sein rollendes "R" dazu, das die Worte regelrecht vibrieren lässt, ergibt das einen sehr temperamentvollen, man könnte auch sagen: dramatischen Vortrag.

Antonio Banderas spricht immer dann sehr schnell, wenn er über Politik redet. Der ältere von zwei Söhnen eines Polizisten und einer Lehrerin, wollte ursprünglich Fußballer werden, dann aber zwang ihn eine Verletzung, die Schauspielerei in den Mittelpunkt zu rücken. Inzwischen arbeitet Banderas auch als Regisseur. Heute sind die unheimliche Macht der Finanzwirtschaft, die Ohnmacht der Politik Themen, die den lange Zeit bekennenden Unterstützer der spanischen Sozialdemokraten richtig in Fahrt bringen.

Wir treffen uns im Büro seines frühen Förderers, Regisseur Pedro Almodovar, in Madrid. Nach mehr als 20 Jahren haben die beiden erstmals wieder einen gemeinsamen Film gemacht, den verstörenden Thriller "Die Haut, in der ich wohne".

Jetzt sitzt Banderas entspannt hinter Aldomovars Schreibtisch - braune Stiefeletten, weiße Hose, kariertes Hemd. "So ein Büro wie Pedro hätte ich auch gerne - er hat wirklich Geschmack", sagt er und blickt auf die Pinwand mit Fotos, für die der Regisseur zwischen all den Bücherregalen und Gemälden noch Platz gefunden hat. "Ist das Kate Winslett auf dem Foto mit Pedro?", fragt Banderas die Assistentin. Sie nickt. "Ich liebe ihre Nase. Kate hat eine wunderbare Nase."

Senor Banderas, reden wir über Geschlechtsumwandlungen...

Banderas: Ich sehe, Sie kommen gleich zur Sache.

Na ja, 1987 spielten Sie in Almodovars "Gesetz der Begierde" einen jungen Mann, der sich in eine Frau verliebt, die früher ein Mann war. In seinem neuen Film "Die Haut, in der ich wohne" sind Sie nun ein Schönheitschirurg, der einen Mann gegen seinen Willen in eine Frau umoperiert...

Banderas: Ich bitte Sie: Mehr dürfen Sie an dieser Stelle aber nicht verraten, sonst ruinieren Sie den Filmgenuss für Ihre Leser.

Das hatte ich gar nicht vor. Bisher habe ich ja nicht mehr verraten, als in den Besprechungen des Films bereits erwähnt wurde.

Banderas: Ich weiß. Ich bin da halt vorsichtig geworden. "Die Haut, in der ich wohne" gehört nun mal zu der Sorte Film, bei der die Wirkung zerstört wird, wenn man den Coup vorher verrät.

Also gut, aber dass Sie einen Psychopathen spielen, darüber können wir schon reden, oder?

Banderas: Nur zu.

Sie spielen diese Rolle mit grimmiger Entschlossenheit. Waren Sie erleichtert, das Image des Latin Lover abstreifen zu können, das Ihnen vor allem in Hollywood-Filmen oft anhaftet?

Banderas: Immer dieses Latin-Lover-Gerede. Aber es stimmt schon, diese Rolle ist ganz anders als meine bisherigen. Pedro hat mich dazu ermutigt. Als ich im Drehbuch erstmals las, was ich da für einen Psychopathen spielen sollte, war mein erster Instinkt, all meine schauspielerischen Muskeln zu zeigen. Pedro nahm mich dann schnell zur Seite und sagte mir: "Hör mal, Antonio, du musst dich zurücknehmen. Die Geschichte ist schon kompliziert genug. Wenn du darin zu sehr schillerst, wird das alles ein Durcheinander." Ich habe diesen Arzt dann so gespielt, wie man sich einen Allgemeinmediziner vorstellen würde.

Zurzeit sind viele spanische Schauspieler wie Sie, Penelope Cruz oder Javier Bardem international sehr erfolgreich. Sie haben es alle drei geschafft in Hollywoods A-Liga aufzusteigen, ohne dafür ihre spanische Identität aufzugeben. Wie haben Sie das geschafft?

Banderas: Ich weiß nicht. Ich würde das nicht überinterpretieren. Diese Wahrnehmung hat nicht nur mit uns Schauspielern zu tun, sondern auch mit Entwicklungen in unserem Land, die länger zurückliegen.

Das müssen Sie erklären.

Banderas: Gern. Sehen Sie, als Franco 1975 starb, war ich 15. Die spanische Gesellschaft litt damals unter einer Art Minderwertigkeitskomplex. Alles, was aus anderen Ländern zu uns gelangte, war besser als das, was unsere Künstler zu bieten hatten. Erst nach Francos Tod änderte sich das langsam. Wir Jungen - ich war damals ja noch jung - wir dachten uns: "Wir können es besser, wir können die Last der Vergangenheit abschütteln."

Ihre frühen Filme mit Almodovar waren exzentrisch, voller provokanter Sex-Szenen. War das Ihre Art, sich zu befreien?

Banderas: Ja. Es war, als hätten wir einen Hammer genommen und auf alles eingeschlagen, was mit Franco zu tun hatte. Ich weiß nicht, ob wir uns dessen damals bewusst waren. Ich weiß noch, wie unser Film "Das Gesetz der Begierde", den Sie bereits ansprachen, damals auf dem Film-Festival in San Sebastian gezeigt wurde. Viele Zuschauer beschimpften uns, andere prügelten auf jene ein, die uns beschimpften, es war das reine Chaos. Aber es war der Beginn einer Befreiung, daraus hat sich später ein neues Selbstbewusstsein entwickelt. Das zeigt sich heute in vielen Bereichen, nicht nur im Film.

Auch die spanischen Fußball-Nationalspieler stehen für dieses neue Selbstbewusstsein. Sie wollten selbst mal Profi-Fußballer werden, mussten aber wegen einer Verletzung aufgeben. Denken Sie manchmal daran, wie Ihr Leben verlaufen wäre, wenn Sie diesen anderen Weg gegangen wären?

Banderas: Nein. Wäre ich Fußballer geworden wäre, würde ich heute nicht hier mit Ihnen sitzen. In meinem jetzigen Alter wäre meine Karriere dann schon vorbei. So gesehen, bin ich froh, dass ich mich damals verletzt habe.

Wie kam es zu der Verletzung?

Banderas: Ich war Stürmer. Mit meinem rechten Fuß konnte ich sehr druckvoll und präzise schießen. Mein Trainer bläute mir jedoch ein: "Wenn du ein guter Fußballer werden willst, musst du lernen, auch deinen linken Fuß besser zu benutzen." Ein folgenschwerer Rat. Ich weiß noch, wie mir ein Mitspieler bei einem Match einen sehr langen Pass zuspielte. Normalerweise hätte ich den Ball erst gestoppt, mich dann kurz positioniert, um ihn dann mit meinem rechten Fuß wegzuschießen.

Das habe ich an diesem Tag nicht gemacht. "Nutze dein linkes Bein", hallten mir die Worte meines Trainers durch den Kopf. Ich wollte den Ball direkt mit meinem linken Fuß annehmen, verfehlte ihn und bohrte meinen Fuß mit voller Wucht in den Boden. Er brach an drei Stellen. Das war's.

In Deutschland wird die Bewunderung für den spanischen Fußball nur dadurch getrübt, dass diese so effiziente iberische Mannschaft das deutsche Team erst bei der EM 2008 und zuletzt bei der WM 2010 aus dem Turnier gekickt hat.

Banderas: Ja, he he he. Nehmen Sie es nicht so schwer. Vielleicht kann ich Sie ein bisschen trösten. Ich fand nämlich, dass sich die Deutschen nach der letzten Niederlage sehr nobel verhalten haben, ganz im Gegensatz zu den Holländern, die uns mit unglaublicher Brutalität attackierten.

Ihr Deutschen habt Fußball gespielt, alles gegeben und am Ende elegant verloren. Aber der WM-Sieg hat mich noch aus einem anderen Grund berauscht. Nie zuvor hatte ich mein Land so vereint, so glückselig erlebt, wie in den Tagen nach dem WM-Sieg. Ich ging mit Kollegen in Madrid auf die Straße, weil wir unsere Mannschaft sehen wollten, wie sie mit dem Cup nach Hause kam. Mein Agent und ich, wir kauften uns sogar zwei spanischen Flaggen und diese Tröten, sowas hätte ich vorher nie gemacht.

In den letzten Monaten gingen andere, besorgniserregendere Bilder aus Madrid um die Welt. Sie zeigten tausende von Spaniern, die mehrere Wochen friedlich auf der Puerto del Sol gegen die Überschuldung und die Arbeitslosigkeit demonstrierten.

Als der Papst im Sommer die spanische Hauptstadt besuchte, schlug der friedliche Protest in gewalttätige Ausschreitungen um, die in Straßenschlachten mit der Polizei gipfelten. Führende spanische Intellektuelle warnten, die Politiker hätten eine Generation verloren. Teilen Sie deren Sicht ?

Banderas: Ursprünglich hatten sich die Proteste ja an der Korruption in diesem Land entzündet, dann hat sich das erweitert. Am Ende drückten die Menschen ihr Unbehagen über eine viel tiefergehende Verstörung aus - sie prangerten die Ohnmacht der Politik gegenüber der Finanzwirtschaft an. Ein beunruhigender Zustand, der längst weltweit Realität geworden ist.

Das setzt sich zurzeit in den USA fort, wo immer mehr Amerikaner gegen die Wall-Street- Lobbyisten auf die Straße gehen.

Banderas: Ja, sie protestieren gegen das gleiche Übel wie die Menschen in Madrid. Die Märkte, die Wirtschaftslobbys und die Rating Agenturen sind die Entscheider. Wenn sie morgens in New York beschließen, ein Land herabzustufen, leiden Millionen von Menschen unmittelbar darunter.

Haben Sie im Sommer auch an den Protesten in Madrid teilgenommen?

Banderas:Ich war ein paar Mal dort, habe mir das angesehen. Das Problem war, dass sich am Ende auch gewaltbereite Chaoten darunter mischten. Ursprünglich waren alte wie junge Menschen in Madrid zusammen gekommen, Familien, Kinder, alle Teile der spanischen Gesellschaft waren dort. Ich glaube, dass wir in großen Schwierigkeiten stecken, nicht nur in Spanien. Diese Krise ist größer, als wir uns das alle vorstellen wollen. Das Schlimmste kommt noch. Diese Krise hat einen großen Vertrauenverlust ausgelöst. Was wollen wir den Politikern und Analysten denn noch glauben?

Sie haben einst die spanischen Sozialdemokraten im Wahlkampf unterstützt...

Banderas: ...ja, zweimal sogar 1993 und 1996.

Werden Sie die Partei bei den vorgezogenen Neuwahlen am 20. November wieder unterstützen?

Banderas: Ich würde gegenwärtig nicht mehr öffentlich eine Partei unterstützen. Menschen, die wie ich in der Öffentlichkeit stehen, haben zwar eine politische Verantwortung. Sie müssen damit aber sehr vorsichtig umgehen. Manchmal helfen wir doch nur, die Realität zu verzerren oder von ihr abzulenken. Um Ihre Frage zu beantworten: Ich werde mein Recht als Bürger wahrzunehmen. Ich werde bei den Wahlen direkt wählen. Und geheim.