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Ins «Herz der Finsternis» am Deutschen Theater

21.09.2009, 11:53

Berlin/dpa. - Die Köpfe knarren. Düstere Augen starren die Zuschauer an. Sechs ausgemergelte Riesenpuppen sitzen auf der Bühne, meterhohe Symbole für das afrikanische Leid.

Mit der Uraufführung von «Herz der Finsternis» hat im Deutschen Theater in Berlin die erste Spielzeit mit dem neuen Intendanten Ulrich Khuon begonnen. Andreas Kriegenburg hat den Roman von Joseph Conrad inszeniert. Das Stück hat starke Momente, kann aber nicht über die vollen zweieinhalb Stunden überzeugen.

Der Roman von 1899 gilt als ein Zeugnis für die Gräuel, die die Europäer zur Kolonialzeit anrichteten. Conrads Roman, in dem die Kongolesen namenlose «Neger» bleiben, war auch die Vorlage für den Kinoklassiker «Apocalypse Now» von Francis Ford Coppola. Dramaturg John von Düffel, der in Hamburg bereits die «Buddenbrooks» auf die Bühne brachte, hat den Text mit Gespür für den richtigen Ton verdichtet. Der Stoff ist klar zu erkennen. Das ist für einen Berliner Theaterabend keine Selbstverständlichkeit.

Conrads Hauptfigur, Kapitän Marlow, wagt sich mit einem Schiff auf eine Reise in den tiefen Kongo, wo der skrupellose Elfenbein-Agent Kurtz herrscht, den man als belgischen König Leopold II. interpretieren kann. Regisseur Kriegenburg lässt Marlow von mehreren Schauspielern darstellen, eine Frau (Natali Seelig) ist dabei die Erzählerin. So ist der Stoff nicht nur ein düsterer Blick auf den Kolonialismus, sondern ein Spiel mit Identitäten. Am Ende spielt Kurtz - schlammbedeckt und in Unterhose - Kapitän Marlow, der wiederum Kurtz' Braut die letzten Worte des sterbenden Kurtz überbringt. Nicht verstanden? Das Rätseln ist gewollt.

Die Bühne (Johanna Pfau) in den Kammerspielen ist ein weißgetünchter Kasten ohne Vorhang, dafür vorne mit einer Klettervorrichtung. Dort turnen die Schauspieler wie auf einer Takelage herum. Mit Plastiktüten und Bambusrohren agieren sie als Geräuschemacher. Das Schiff, der Fluss, die Gefechte: Das entsteht in der Fantasie des Zuschauers. Papprohre, die wie überdimensionale Küchenrollen aussehen, halten als Kanonen her. Düstere Exotik atmet der teils im Chor vorgetragene Text, nicht die Inszenierung.

Kriegenburg, der schon neun Mal zum Berliner Theatertreffen eingeladen wurde, wo er zuletzt im Frühjahr mit Kafkas «Der Prozess» gefeiert wurde, ist neuer Hausregisseur in der Schumannstraße. Khuon war zuvor Intendant am Thalia Theater in Hamburg. Dass er wie viele Kollegen einen vertraut klingenden Romantitel auf den Spielplan setzt, ist einerseits eine sichere Bank. Andererseits ist es unbequem, wenn er gleich am Anfang seine Zuschauer über Ausbeutung nachdenken lässt.

Inhaltlich in eine ähnliche Richtung geht die zweite Uraufführung der Spielzeit, die am Freitagabend anstand. Der Schweizer Dramatiker Lukas Bärfuss widmet sich in «Öl» dem Tauschgeschäft «Geld gegen Hass», wie es im Programm heißt. Regie führt Stephan Kimmig. Dabei steht auch Nina Hoss auf der Bühne, neben Ulrich Matthes und Corinna Harfouch einer der Stars des Ensembles.

Von der Diskussion über fehlende Werktreue und das Regietheater hält Ulrich Khuon wenig. «Ohne Regie geht es doch gar nicht, weder im Theater noch im Kino», sagt er. «Wir müssen die Leute zum Theater verführen und wenn sie rauskommen, dann sollen sie sich über das unterhalten, was sie da gesehen haben.»

www.deutschestheater.de