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Industrie Industrie: Porzellanhersteller stehen vor Scherbenhaufen

Von Denni Klein 18.08.2005, 11:44
Eine Frau besprüht in der Farbabteilung der Annaburger Porzellan GmbH in Annaburg (Kreis Wittenberg) eine Tasse mit Farbe. Das 1874 gegründete Werk hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich und beschäftigt derzeit rund 70 Mitarbeiter. Seit 1992 gehört das Unternehmen zur bayerischen Ceraplan GmbH. Zur Produktpalette gehören hauptsächlich Serviceporzellan, eine Bistro-Kollektion und Hotelgeschirr bis hin zu Bad-Accessoires. Zum Werk gehören weiterhin ein Porzellan-Museum, ein Porzellan-Cafe und eine Porzellan-Malschule. (Foto: dpa)
Eine Frau besprüht in der Farbabteilung der Annaburger Porzellan GmbH in Annaburg (Kreis Wittenberg) eine Tasse mit Farbe. Das 1874 gegründete Werk hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich und beschäftigt derzeit rund 70 Mitarbeiter. Seit 1992 gehört das Unternehmen zur bayerischen Ceraplan GmbH. Zur Produktpalette gehören hauptsächlich Serviceporzellan, eine Bistro-Kollektion und Hotelgeschirr bis hin zu Bad-Accessoires. Zum Werk gehören weiterhin ein Porzellan-Museum, ein Porzellan-Cafe und eine Porzellan-Malschule. (Foto: dpa) ZB

Berlin/dpa. - Ungern sprechen die Geschäftsführer über Fehler. «Der Sprung aufausländische Märkte wurde etwas verschlafen», geben einige zu. DieKonsumflaute sei an Herstellern hochwertiger und luxuriöser Artikelnicht spurlos vorübergegangen. Wer heute glänzen will, kauft ehereinen Sportwagen oder eine Luxusuhr. «Soweit können Sie das Fenstergar nicht aufreißen, damit Sie noch jemand für ihr Porzellanservicebewundert», sagt Lutz Graser vom Verband der keramischen Industrie(VKI). Längst ist das handbemalte Edel-Service aus Großmutters Zeitenvom Tisch in die Glasvitrine gewandert.

«Porzellan wird, einmal gekauft, und weil es nicht kaputt geht,immer wieder vererbt», sagt Graser. Zur Hochzeit werden heuteWaschmaschinen verschenkt. «In Deutschland ist Wachstum nicht inSicht.»

«Hier findet nur ein Verdrängungswettbewerb statt, bei dem einigeweiter Federn lassen und andere punkten», sagt der Chef von Kahla-Porzellan, Günther Raithel. Das Thüringer Unternehmen gehört zudenen, die punkten. «Wir haben unsere Umsätze in den vergangenen elfJahren verdoppelt. 2004 waren es 23 Millionen Euro.» Sein Vater hattedas Unternehmen mit 160-jähriger Tradition 1994 neu gegründet. «Wirhaben Zwiebelmuster, aber eben auch modernes Design für jüngereZielgruppen.» 330 Mitarbeiter haben seither 15 neue Produktlinien aufden Markt gebracht.

Die traditionsreiche Porzellan-Manufaktur Fürstenberg inNiedersachsen hat dagegen seit Mitte der 90er ihr Personal fasthalbieren müssen. Von einst mehr als 200 Mitarbeitern arbeiten noch110 an der Oberweser. «Glas und Metall stehen heute bei jungen Leutenauf den Tischen», sagt Geschäftsführer Christian Hirsch. Er setztdeshalb auf hochwertiges, aber «junges» Design. «Weiß, puristisch,Formen bis Bauhaus», umschreibt er das Konzept.

«Thementische» wie japanischer Stil für Sushi oder italienischeFormen für Pasta und Pizza sind gefragt. Der Tisch als Mittelpunktdes Hauses und das tägliche Essen in der Familie sind dem Fast Foodin der Woche und dem Event «Essen» am Wochenende gewichen. «Da werdenFreunde eingeladen, es wird gemeinsam gekocht und Essen zelebriert»,sagt Kahla-Chef Raithel.

Im Ausland werde deutsche Qualität unterdessen wieder entdeckt,sagt VKI-Experte Graser. Firmenübergreifend werden allen voran diewohlhabenden Käufer aus Russland und die bisher «Pappteller-fixierten» Amerikaner genannt. In Europa sind Italien, Frankreich undGroßbritannien «Porzellan-Länder». Aber auch in China, dem Mutterlanddes Porzellans, ist Ware «Made in Germany» gefragt.

Die Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen hat längst weltweitFuß gefasst. «Fast die Hälfte unserer Waren gehen ins Ausland», sagtGeschäftsführer Dieter Gerhardt. Seit 300 Jahren wird an derGeburtsstätte des europäischen Porzellans im Zeichen der gekreuztenSchwerter Porzellan in Handarbeit hergestellt. Meissen mit seinen 900Mitarbeitern gilt als Branchenprimus, der der Krise trotzt.

Die seit Jahren krisengeschüttelte Königliche Porzellan-ManufakturBerlin (KPM) will derweil über mehr Export die Pleite abwenden. Wiegenau, ist aber noch unklar. «Ruhiges Fahrwasser spätestens ab 2006»,ist das Ziel von Carl-Ulrich Bremer, der die KPM im Auftrag desprominenten Geschäftsführers Franz Wilhelm Prinz von Preußen führt.

Allen gemeinsam ist ein Ziel, wie Fürstenberg-Chef Hirsch sagt:«Die Handwerkskunst bewahren und zugleich modernisieren, um dem"weißen Gold" seinen Glanz zurück zu geben.»