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«Im Kasten» «Im Kasten»: Sparschuhs Roman für Buchmessepreis nominiert

Von Christian eger 14.03.2012, 20:21

leipzig/MZ. - Ordnung ist das halbe Leben? Nicht für Hannes Felix: Für den ist es das ganze. Auch deshalb denkt der Zwangsneurotiker um Mitte 50 gern an die DDR-Neubaublocks zurück. An millimetergenau kalkulierte Wohnzellen, die "wahrhaftige Raumwunder" vollbrachten. In der Sprache von Felix, der fleischgewordenen Büroklammer: "Die volkseigene Möbelindustrie stand in ihren Planungen vorausschauend im Einklang mit den Bedürfnissen und Möglichkeiten des normierten Wohnungsbaus".

Was heißt: Passgerecht die Schrankwand "Karat", passgerecht die Sitzgruppe - und darüber die immergleiche Freifläche für die schönen Künste, vorzugsweise für das "Paar am Strand" von Walter Womacka. Hannes Felix gefällt das. Denn: "Wohin man auch kam: Überall war man zu Hause."

Das wäre Felix auch gern einmal wieder. Aber seine Frau Monika ("Du siehst die Sache so, wie du sie siehst. Ich sehe sie so, wie sie ist.") hat ihn verlassen. Kurzerhand hat sie den Koffer gepackt. Allerdings auf eine Art, dass ihr der ungeliebte Mann noch einmal zu Hilfe kommen musste: Wie so ein Koffer klug zu füllen ist, das weiß er selbst schließlich am besten. So ist die restlos Entnervte am Ende ohne Gepäck verschwunden. Und Hannes blieb zurück. Einmal mehr mit dem Eindruck, dass seine Fähigkeiten nicht nur wenig geschätzt, sondern auch nicht genutzt werden sollen. So muss er seinen Traum allein leben: Das Leben und die Dinge gewinnbringend zu ordnen.

"Im Kasten" heißt der humoristische Roman, in dem der Berliner Schriftsteller Jens Sparschuh ("Der Zimmerspringbrunnen") einen tragikomischen Helden unserer Zeit zeichnet, in der Bücher Bestseller werden, die Parolen tragen wie "Simplify your Life". Handlich, praktisch, gut soll der Alltag laufen, wenn schon sonst nur noch wenig läuft. Wie ein blinder Passagier ist Hannes in seinem eigenen Leben unterwegs, das er der großen Ordnung widmet. Und einem Job in der Firma NOAH, nämlich für Neue Optimierte Auslagerungs- und Haushaltsordnungssysteme.

Das Unternehmen ist ein Witz mit Autobahnanbindung, das dem Ich-Erzähler aber Anlässe für gelungene Reflexionen etwa über die Angestelltenwelt liefert. "An den Kollegen im Großraumbüro hatte ich beobachten können, daß ihre Körper, ihre durchgesessenen, vom Kantinenfraß aufgeschwemmten Bürokörper!, mit fortschreitender Tageszeit (...) alle den für sie jeweils energieärmsten Zustand anstrebten." Wie die Dinge der Welt.

Selbstverständlich kommt Hannes auch in der "Simplify"-Branche nicht zum Zuge. Er verrennt sich im Grübeln. Darüber, wie die Geschäftsinteressen von NOAH und Ikea zu vereinen wären. Das schwedische Einrichtungshaus erscheint Hannes als Fortsetzung der DDR-Wohnkultur mit westlichen Mitteln. Billy statt Womacka.

Man liest das mit Vergnügen, aber nicht durchweg. Sparschuhs Humor kann federn, aber auch heftig auf der Stelle treten. Wo Handlung fehlt, wird länglich über Bücherordnung oder Hausstaub reflektiert. Aber das Eingangskapitel ist großartig. Und ab und an meint man Loriot ("Ach was") soufflieren zu hören. Hannes Felix ist ein großer Skurriler wie etwa Lorriots Pensionär Heinrich Lohse ("Mein Name ist Lohse, ich kaufe hier ein"). Ja, auch die Ordnung hat ihren Preis. Vielleicht auch dieser Roman, der für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert ist.