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Hygiene-Museum Dresden Hygiene-Museum Dresden: Der kleine Bruder des Todes

Von Andreas Hillger 01.08.2007, 18:01

Dresden/MZ. - Dies ist also ein vom Bewusstsein abgewandter, der Wissenschaft nicht direkt zugänglicher Status, dem sich die jüngste Sonderausstellung des Dresdner Hygiene-Museums widmet. Und doch ist er - als Kehrseite des Wachens - jedem Menschen unmittelbar vertraut.

Tödliche Übermüdung

Man geht leise, wie auf Zehenspitzen durch diesen langen Korridor, an dessen Seiten Lamellenwände viel Raum für separate Abteilungen bieten - und staunt über die enzyklopädische Breite des Gezeigten. Von der Qual des Schlafentzugs und der tödlichen Gefahr des Sekundenschlafs führt der Weg bis zu den bizarren Büroschlaf-Ritualen der japanischen Angestellten. Zwischen diesen Eckpunkten sind aktuelle Fortschritte der Schlafforschung und die Kulturgeschichte des Schlafzimmers, Traumdeutung und die Reflexion des Schlafes in der Kunst aufgespannt - ein Panorama, in dem man sich irgendwann bei der vergeblichen Suche nach Fehlstellen ertappt.

Viel gibt es zu lernen auf diesem Weg: Etwa über den "Wakeathlon", der den bewussten Verzicht auf Schlaf zu einer Art Sport erhebt und dessen hier dokumentierter Rekord bei 264 Stunden liegt. Der Brite Michael Corke war sogar noch länger wach - und starb schließlich an Fatal Familial Insomnia, einer krankhaften Einschlaf-Blockade. Da der Schlaf also dem Tod verwandt ist, werden beide in der griechischen Mythologie als Bruderpaar geführt - Hypnos und Thanatos heißen die Söhne der griechischen Nachtgöttin Nyx.

Dass umgekehrt auch das Sterben dem Schlafen zum Verwechseln ähnlich sieht, zeigt die Abteilung über Ohnmacht und Scheintod - eine verstörende Kammer mit den Methoden der Wiederbelebung und den Signalanlagen für Gräber, in der ein Querverweis zur Hypnose und zur Mesmerismus-Mode des 18. Jahrhunderts nicht fehlt. Und von diesen sinistren Methoden des Magnetisierens und der Öffnung des Unbewussten ist es nur ein kleiner Schritt bis zur Psychoanalyse und zu Sigmund Freud.

Hier wie andernorts setzen die Kuratoren selbstbewusste Akzente, anstatt den Besucher mit akademischen Erklärungen zu überfordern. Das Traum-Gemälde des "Wolfsmannes" Sergej Pankejeff, dessen Behandlung und lebenslange Abhängigkeit von Freud Medizingeschichte geschrieben hat, steht hier stellvertretend für eine epochemachende Expedition in das Innere des Menschen. Welch ein rätselhafter und wunderbarer Kontinent dort zu finden ist, zeigen die kreativen Mitbringsel: Dimitri Mendelejew will das Periodensystem der Elemente ebenso geträumt haben wie Paul McCartney sein "Yesterday", Elias Howe erfand im Schlaf die Nähmaschine - und Otto Loewi erwachte mit dem fertigen Versuchsaufbau zur Erforschung der Neurotransmitter, der ihm den Medizin-Nobelpreis eintrug.

Oropax und Opium

Kein Wunder, dass man nicht unfreiwillig aus Morpheus' Armen gerissen werden will - Mückenspray und Oropax garantieren die Ruhe, Opium und Laudanum ebnen den Weg in die Tiefe. Über den fatalen Kreislauf aus Beruhigungs- und Aufputschmitteln sowie über die katastrophalen Folgen der angeblich so ungefährlichen Schlaftablette Contergan kann man am Ende auf einer Liegewiese zwischen Nachtarbeiter-Porträts nachdenken, während man Schlafliedern aus aller Welt lauscht.

Und falls man dabei den Weg in jenes Reich findet, in denen die Erholung ebenso wie der furchtbare Alp lauern, ist man ein Fall für die Wissenschaft: Im Schlaflabor werden neben den Hirnströmen und der Muskelspannung auch Bein und Augenbewegung sowie Sauerstoffsättigung des Blutes gemessen. Doch geheimnisvoll sind Schlaf und Traum noch immer ...

Bis zum 3. Oktober, Dienstag bis Sonntag 10-18 Uhr