"House for sale" an der Berliner Volksbühne "House for sale" an der Berliner Volksbühne: Die Schwestern tanzen mit dem Haus

Berlin/MZ - Was wäre die Berliner Volksbühne ohne den Autor und Regisseur René Pollesch. Er schreibt und schreibt. Und er inszeniert und inszeniert, was das Zeug hält. Seit über zehn Jahren gibt es bei Frank Castorf mindestens zwei neue Polleschs pro Jahr. Diese Stücke sind dramatische Literatur. Irgendwie. Jedenfalls viel gespielt und erfolgreich. Sie sind vor allem aber auch Methode.
Das neueste Exemplar heißt „House for sale“ also: Haus zu verkaufen. Man könnte fast denken, dass die Volksbühne selbst gemeint ist. Die gehört auch zu den Berliner Häusern, die, rein haustechnisch gesehen, leicht renovierungsbedürftig sind. Künstlerisch ist das Ansichtssache. In seinem Marktsegment funktioniert es immer noch ganz gut, hat die Volksbühne doch eine treue Klientel. Dafür ist die Theaterstadt Berlin groß genug. Zumal die Volksbühne mit Frank Castorf einen Langzeit-Intendanten hat, der die sogenannte Dekonstruktion nicht nur erfunden hat, sondern auch am Leben hält. Dafür wandert der Meister auch schon mal mit Eifer in die unendlichen Weiten ferner Romanwelten. Oder, wie in den letzten beiden Jahren, hinauf auf Bayreuths Grünen Hügel zu Richard Wagner. Also von wegen Haus zu verkaufen - für den Hausherren Frank Castorf gilt das Angebot bislang nicht.
Warum René Pollesch sein neues Stück „House for sale“ genannt hat, das bleibt im Dunkeln. Obwohl es auf der Bühne den ganzen 90-minütigen Abend über recht hell ist. Und auch laut und deutlich - vor allem laut - gesprochen wird: Von drei Frauen, die Pollesch an Anton Tschechows „Drei Schwestern“ entlang wortscharmützeln lässt. Über Gott und die Welt. Also über Religion und über die Liebe.
Oder die Frage stellen, ob es genug Konzerte gegen die Nazis gegeben habe oder ob es nicht besser wäre, mal mit dem Baseball-Schläger nachzuhelfen. Wie die Pollesch- und Volksbühnen-Stammschauspielerin Sophie Rois es in ihrer unnachahmlichen Art mit rauchiger Stimme vorschlägt. Um dann zu vermuten, dass es vielleicht doch noch so ein Konzert geben müsse. Überhaupt verfangen sich die Rois, Christine Groß und Mira Patrecke immer wieder in Wiederholungsschleifen, an denen sie ihren Spaß haben. Den haben sie auch, wenn sie auf die Seniorin im Bunde, Bärbel Bolle, losgehen. Oder von ihr attackiert werden. Da krächzt sie donnernd los.
Und dann ist da noch das weiße Häuschen, das Bert Neumann vor den roten Rundhorizont auf eine Bühne voller Herbstlaub platziert hat. Die Souffleuse Tina Pfurr fährt es wacker durch die Gegend. In dem wird ganz volksbühnenunüblich mal nicht gefilmt und nach außen übertragen. Es wird überhaupt nicht gefilmt. Aber es werden Filme zitiert, um Tschechow aufzumischen. Abgeschmeckt ist das Ganze mit einer Prise Philosophie der Marke Slavoj Zizek. Serviert wird alles mit Selbstironie. Als Endlostheater mit Happy-Hour-Rabatt. Leicht konsumierbar. Freilich ohne allzu starke Nebenwirkungen.