Hollywood protestiert gegen «Valkyrie»-Hysterie
San Francisco/dpa. - Mit dieser Kritik hatte US-Regisseur Bryan Singer bestimmt nicht gerechnet, als er die Rolle des Hitler- Attentäters mit Hollywoods «Top Gun» Tom Cruise besetzte. Doch es geht um die Hauptrolle des Claus Schenk Graf von Stauffenberg in seinem neuen Historien-Drama «Valkyrie» und Cruise ist bekennendes Mitglied von Scientology.
Die Organisation wird in dem Bericht des Verfassungsschutzes 2006 unter anderem als undemokratisch und totalitär bezeichnet. «Ehrlich gesagt war mir nicht bekannt, dass Scientology in Deutschland ein Streitpunkt ist», vertraute der 41 Jahre alte Filmemacher am vorigen Wochenende der «New York Times» an. Und so hat die Debatte um nicht genehmigte historische Drehorte und an seinem Hauptdarsteller nicht nur den Regisseur von Action-Streifen wie «X-Men» und «Superman Returns» überrascht.
«Es gibt keinen besseren Weg an die Nazi-Ära zu erinnern, als einem Mann wegen seines Glaubens die Arbeit vorzuenthalten», empörte sich ein Kommentator der Zeitung «Philadelphia Daily News». Auch der britische Filmveteran Ken Russell verurteilte die Absage für eine Drehgenehmigung im Berliner Bendlerblock, von dem aus Stauffenberg seinen Anschlag plante und wo er nach dessen Scheitern hingerichtet wurde. Der Regisseur stellte sich schützend hinter Cruise. «Es ist wirklich überzogen, Cruise wegen seiner von ihm gewählten Philosophie anzugreifen, während er doch ernsthaft und mit riesigem Aufwand Deutschlands größten Sohn anpreisen will», mokierte er sich in der «Times».
Ironisch nahm die US-Presse dann auch die Nachricht vom Freitag auf, als das traditionsreiche Studio Babelsberg nach wochenlangem Hin und Her die Unterzeichnung der Koproduktionsverträge verkündete. Drehstart für «Valkyrie» ist nun am 19. Juli. Obendrauf wird der Streifen noch mit 4,8 Millionen Euro aus dem neuen Deutschen Filmförderfonds (DFFF) bezuschusst. Die staatliche Filmförderung habe damit wohl ein «Friedensangebot» gemacht, frotzelt das US-Magazin «Time». Die deutsche Regierung mag Scientology verabscheuen, aber sie hasst auch transatlantische Spannungen, schrieb das Blatt weiter.
Scientology bezeichnet sich selbst als Kirche und ist in den USA auch als Religionsgemeinschaft anerkannt. Das Bundesinnenministerium verweist darauf, dass die Organisation auf den Status als Religionsgemeinschaft vor allem in den westlichen Staaten Wert legt, in denen dieser finanzielle Vorteile verspricht, zum Beispiel die Befreiung von Steuern. Doch laut Verfassungschutz lehnt Scientology «das demokratische Rechtssystem» ab und agiert mittels «eines weltweit tätigen organisationseigenen Geheimdienstes» gegen die Menschenrechte und den Rechtsstaat. Scientology strebe darüberhinaus «weitestgehende Kontrolle über ihre Mitglieder an» und diffamiere Kritiker und Aussteiger.
Kritik an Filmen von bekennenden Scientologen, wie Cruise und John Travolta, und an Auftritten des Jazz-Musikers Chick Korea, ebenfalls Scientology-Anhänger, ist in Deutschland nicht neu: 1996 hatte die Junge Union zum Boykott gegen den Thriller «Mission: Impossible» mit Cruise als Hauptdarsteller aufgerufen. Gleiches wiederholte sich bei Travoltas Liebesstory «Phenomenon». Der Film würde Parallelen zur Scientology-Lehre und zum Leben des Gründers Ron Hubbard aufweisen, stellten Kritiker damals heraus. Auch damals warfen daraufhin die Oscar-Preisträger Dustin Hoffman und Oliver Stone sowie 32 weitere Stars der US-Kulturszene Deutschland eine «organisierte Verfolgung» von Scientology vor. Zu den Unterzeichnern eines Protestschreibens gehörten unter anderen die Schauspielerin Goldie Hawn, Regisseur Constantin Costa-Gavras, Tina Sinatra (Tochter des Sängers Frank Sinatra), und CNN-Talkmaster Larry King.
Doch Travolta, der in seinem neuesten Streifen «Hairspray» einen Transvestiten spielt, ist nun auch in seiner Heimat unter Beschuss geraten. Als Frau verkleidet mit toupierten Haar spielt er in dem Remake des Kult-Musicals die dralle Edna Tumblad, die 1988 im Original-Film von John Waters von dem Transvestiten Divine gemimt wurde. Amerikanische Schwulenrechtler, darunter Kevin Naff von der Zeitschrift «Washington Blade», haben zum Boykott aufgerufen. Es sei hinlänglich bekannt, dass Homosexuelle von Scientology abgelehnt werden, so Naff. «Scientology ist in keiner Weise homophob», wehrt sich Travolta im Online-Dienst der Londoner «Times». «Tatsächlich zählt sie zu den eher toleranten Religionen.» Jeder werde akzeptiert, meint zumindest der Hollywoodstar.