Herbie Hancock in Leipzig Herbie Hancock in Leipzig: Zurück aus der Zukunft des Jazz
Leipzig/MZ. - Miles Davis reagierte und fand den Anschluß,Herbie Hancock ging mit und blieb sein Pianist.Sonst blieb kaum etwas, wie es war. Der Jazzschmeckte nach Zukunft. Es durfte getanztwerden. Drei Jahrzehnte später ist Hancockwieder einmal auf Deutschlandtour, im Gepäckdie neue CD "Future2Future" (Columbia 5052112), auf den Lippen starke Worte, dass manvon ihm nur das Unerwartete erwarten dürfe,und im Rücken eine grandiose Marketingmaschine.Die tönt von einer lebenden Legende und vonbahnbrechenden musikalischen Visionen einesWanderers zwischen den Stilen. Man war alsogespannt auf den 61jährigen Ferrarifahreraus Berverly Hills, einen der besten Pianistender Branche.
Am Samstag stellte der Maestro im ordentlichgefüllten Haus Auensee zu Leipzig sein neuesProjekt vor. Jazz-Fans der ersten Stunde wartetenneben Hip-Hop-Kids lange in Betrachtung desBühnenequipments. Farbige Spots auf erhöhteDrums, Turntables und den futuristischen Stickbass,an den Flanken verkabelte Keybords und gutsichtbare Apple-Logos auf den Laptop-Schirmen.Den schwarzen Flügel hätte man übersehen können.Irgendwann begannen die Bildprojektionen zuflashen, die Soundschleifen zu flirren. Drumspunktierten trocken, was der DJ scratchteund der Bass grundierte. Zwischen hölzernemEntertainment und penetrantem Missionars-Gestuserklärte ein ewig junger Botschafter die Zukunftals Mitte aus Technology und Humanität. Daswar ihm wichtig, denn er lieferte seinen SpokenWord-Ausflug in deutscher Übersetzung nach.
Dann hätte es beginnen können, doch der Motorkam den ganzen Abend richtig ins Laufen. Zustrukturlos blieb die New Age-Ambient-Trip-Hop-Melange,zu selten war Herbie Hancock wirklich Herrder Geister, die er rief. Natürlich gab esinmitten des glasklaren Surround-Sounds Momentevon rätselhafter Schönheit. Das darf man erwartenvon einem so exzellent besetzten Sextett.Matt Garrison, Sohn des Coltrane-BassistenJimmy Garrison, legte in den tiefen Tönenein Fundament, das getragen hätte. TrompeterWallace Roney nahm die wenigen Querpässe seinesLeaders auf und befreite sich kurz, aber imposantaus der verordneten Rolle des Miles-Davis-Wiedergängers.Und wenn es Herbie Hancock mal etwas längeram Piano hielt, hatten seine perkussiven Kaskadendie Suggestivkraft von einst.
Aber das alles war zu wenig, weil nichtwirklich zusammenwuchs, was in anderen Projektenlängst zusammengefunden hat. Hier wurde imBeliebigen gerudert, und als schlussendlichdas Programm im Überhit "Rockit" aus den frühenAchtzigern gipfelte, war die Crux offenbar:Herbie Hancocks Zukunft hat bereits stattgefunden.Das Publikum sah das wohlwollend interessiert.Zum Tanzen war es nicht gekommen. Erwartethatte es mehr.