Kritik zum Leipzig-Konzert Helene Fischer in der Arena Leipzig: Die perfekte Schlagersängerin

Leipzig - Helene Fischer will es schön haben. Für sich, für uns, für alle. „Das ist unser Tag, unser Abend. Lasst ihn uns gemeinsam feiern“, fordert sie ihr Publikum in der ausverkauften Arena Leipzig auf. Das finden die Leute gut, zum Feiern sind sie ja gekommen. Und weil sie die Lieder der deutschen Schlagerkönigin mögen.
Dass das Fest dann geschlagene drei Stunden in Anspruch nimmt statt nur zwei, was bei strafferer Dramaturgie mühelos möglich wäre, mag manchem etwas üppig vorkommen - den Kindern zumal, die im Schlepptau ihrer Mütter gekommen sind.
Aber die Show dauert eben so lange, wie sie dauert. Weil die Gastgeberin das so will. Tanz, Gesang, Lichtsäulen, gute Worte - das braucht Zeit. So atemlos geht es dann doch nicht durch die Nacht des „Farbenspiels“, wie die Tour zum Tonträger heißt.
Fast 40 Minuten Pause sind auch inklusive, während der die ersten selbstgeknipsten Fischer-Fotos vom Smartphone in die Welt gepustet werden können. Und die Damen und Herren hinter den Theken wollen schließlich auch Bier, Cola und Sekt unters Volk bringen. So greift Eines ins Andere. Man ist spontan versucht, Helene Fischer als Miss Perfect zu bezeichnen, wäre da nicht ein Hersteller von Damenunterwäsche auf den gleichen Namen gekommen.
Selbst wenn einige Bühnen-Outfits der 30-Jährigen (also das, was sie jeweils auf dem Leibe trägt) genau daran denken lassen, soll sie vielleicht besser „die perfekte Frau“ heißen. Das trifft es auch. Ein Gesamtkunstwerk ist die Sängerin mit dem goldenen Mikrofon obendrein: Perfekt gestyltes Haar, perfekt geschminkt, perfektes Heidi-Klum-Lächeln, perfekt trainierte Figur - „Hallelujah“, wie der Star gern auszurufen pflegt.
Helene Fischer: Wer ist die Frau dahinter?
Frau Fischer, die seit Jahren offiziell mit dem Volksmusik-Helden Florian Silbereisen liiert ist, was helfen dürfte, die Avancen aufdringlicher Verehrer in Grenzen zu halten, strebt mit ihrer Show viel mehr als nur das Absingen ihrer Schlager-Erfolge an. Das tut sie natürlich auch, aber die Latte liegt höher, über die gesprungen werden soll. Die Sängerin deckt mit ihrem Programm, abgesehen vom Jazz, praktisch alles ab, was dem Radiohörer, der über keine ausgeprägten musikalischen Interessen verfügt, süffig ins Ohr und zu Herzen geht: Popsongs, wummerndes Elektrogehopse, HipHop, Rock-Hymnen wie „Purple Rain“ von Prince, Musical, Chanson. Das Ganze lecker abgeschmeckt mit Klassik, wenn zwei elektrisch verstärkte Violinistinnen in der Manier von Nigel Kennedy „Die vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi sägen. Und, weil es schön ist im Karneval: Sogar in der Sparte Stimmungslied ist Helen Fischer ein Vieh auf der Geige, wie sie in Sachsen sagen.
Nur Eines wüsste man gern - und erfährt es nicht: Wer ist die Frau hinter dem Label Helene Fischer? Das bleibt ein großes Geheimnis und ist vermutlich ebenfalls so präzise kalkuliert, wie es die ganze Karriere der 1984 in Krasnojarsk in Sibirien geborenen Tochter russlanddeutscher Eltern ist. Jelena Petrowna Fischer bewegt das ganz große Rad, selbst die Erde kann sie rückwärts drehen. Kein Problem.
Helene Fischer erfüllt Träume der kleinen Leute
Jedenfalls wird davon gesungen. Mit kräftiger, tragfähiger Stimme übrigens, was in der Schlagerbranche nicht wirklich zu den Einstellungsmerkmalen gehört. Da hört man schon hin, auch wenn es um eher banale Dinge geht: Wie schön es sein muss, mal was Verrücktes zu tun. Zum Beispiel mit zerrissenen Jeans nachts um die Häuser zu ziehen. Oder mit 300 Sachen über die Autobahn zu brettern. Und die große Liebe zu finden.
Es sind die Träume der kleinen Leute, die Frau Fischer verkauft. Vielleicht sind es mal ihre eigenen gewesen. Das kann man nicht ausschließen. Minutenlang nimmt sie Geschenke und Blümchen entgegen, so nah ist sie dem Volk. Dann geht es endlich weiter. „Te Quiero“ und Hossa. Keiner ist fehlerfrei, das Herz läuft Marathon. Schließlich fährt sie auf einem flügelwackelnden Monster, halb Drachen, halb Vogel, am Himmel über der Halle dahin. Es kann aber auch schon die Goldene Henne sein, die am Freitag zum Einsatz kommt. (mz)