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Haus der 1000 Dinge Haus der 1000 Dinge: Moritzburg stellt seine Kunstgewerbesammlung aus

Von Christian Eger 05.08.2017, 08:00
Bloß nich fallen lassen! Moritzburg-Mitarbeiterin Sophie Mannich präsentiert eine Nancy-Jugendstilvase aus den Depotregalen.
Bloß nich fallen lassen! Moritzburg-Mitarbeiterin Sophie Mannich präsentiert eine Nancy-Jugendstilvase aus den Depotregalen. Hendrik Schmidt/dpa

Will man das erleben: Jeden Tag Weihnachten? Jeden Tag große Bescherung? In der Moritzburg war es unumgänglich. „Wir hatten jeden Tag Weihnachten“, sagt Ulf Dräger. Und mit „wir“ meint der Kustos der Kunsthandwerksammlung  sich und seine Kollegin Sophie Mannich. Zwei Jahre  hatten die Mitarbeiter des halleschen Museums Objekte der 1885 unter Max Sauerlandt begonnenen Moritzburg-Sammlung ausgepackt. Rund 6.000 von etwa 8.000 Teilen.

Exponate, die zuletzt nicht nur für die Öffentlichkeit, sondern auch für die Fachwelt und den Leihverkehr unsichtbar, ja recht eigentlich verloren waren. Um Baufreiheit für die Umgestaltung der Moritzburg zu schaffen, hatte man die alten Depots aus dem Museum heraus in die Neue Residenz verlagert, einen Renaissance-Bau, der für diese Aufgabe  ungeeignet war: Feuchtigkeit, die man riechen konnte. Putzflächen, die von der Wand klappten. Im Jahr 2013 zog man die Notbremse - und holte die Sammlungen zurück ins Stammhaus.

Nur  hatte das - nach  Fällen von massivem Pfusch am  Bau - unter vielen Problemen inzwischen auch dieses:  Ein Depot war, obwohl es von Anfang in die Planung gehörte, mit dem Neubau nicht errichtet worden. Also musste man die Sammlungen auf Kosten der Dauerausstellung verstauen. Die verlor unter anderem den  Kuppelsaal von 1913, der  ein räumlicher Höhepunkt des Galerierundganges gewesen war.

Um aus der Not eine Tugend zu machen, wurde 2015 beschlossen, im Kuppelsaal eine Art Schaudepot einzurichten. Nicht im ganzen, sondern im halben Saal, in dessen anderer  Hälfte die Fotosammlung lagert, unzugänglich für das Publikum. Auf der anderen Seite wurden acht lange Glasschränke aufgestellt, um die Sammlung aufzunehmen, die jetzt den Titel trägt: Studiensammlung Kunsthandwerk & Design. Am Freitagmittag wurde, nachdem also über zwei Jahre Weihnachten gefeiert wurde, der eingerichtete Saal vorgestellt, der vom 12. August an bei Führungen dem Publikum offensteht.

Es herrscht eine beinahe labyrinthische Enge unter der Kuppel. Ein Eindruck, der durch die vollgestellten Schränke verstärkt wird.  Die zeitlich und sachlich geordnete Sammlung beginnt mit mittelalterlichen Metallobjekten, mit Pokalen und Figuren, um bis in die Gegenwart zu wandern. Venezianische Gläser, deutsches, französisches und englisches Steingut und Porzellan, Goldschmiede- und Zinkgussarbeiten. Zwei Drittel des Raumes nehmen Steingut, Fayencen, Porzellan und Keramik ein. Wer also ein großes Herz für Tassen, Teller und Kannen hat, der muss unbedingt in den Kuppelsaal schauen.

Nicht nur von Charles Crodel dekoriertes Hedwig-Bollhagen-Geschirr ist hier zu finden. Sondern auch ein von Friedrich Elias Meyer gefertigter Tafelaufsatz aus Porzellan, den Friedrich II. für sein Teehaus in Sanssouci bestellt hatte. Und Teile eines Services, das August der Starke für seine Residenz in Warschau anfertigen ließ.  Der Bauhaus-Freund kann Arbeiten aus Weimar und Dessau entdecken. Großartig sind die Marionetten, die Gustav Weidanz in den 20er Jahren baute, und die in einem alten Schrank mit von ihm geschnitzten Krippenfiguren zu sehen sind.

Das älteste Objekt ist ein 2 700 Jahre altes Stück Glas aus dem Mittelmeerraum. Ein Haus der tausend Dinge. Dessen Besichtigung macht nur mit einer Führung Sinn, denn die Objekte sind  notdürftig beschriftet. Vor den Schaustücken stehen Nummern, die der künftigen Katalog-Erfassung dienen. So lange  ist das Publikum auf  mündliche Erklärungen angewiesen.

Direktor Thomas Bauer-Friedrich lobt die Sichtbarmachung  als einen Rückgewinn von „Museumsidentität“, denn die Moritzburg war als ein Museum für Kunst und Kunstgewerbe gegründet worden, nur verlor letzteres an Aufmerksamkeit. Mutmaßlich auch an Interesse. Das soll sich ändern. In der neu zu gestaltenden, ab 9. September zugänglichen Dauerausstellung soll  auch Kunsthandwerk zu sehen sein.

Man sollte sich das Depot ansehen. Nicht zuletzt deshalb, weil es ein Interimsdepot ist. Auch wenn in Sachsen-Anhalt Interims-Lösungen die Eigenschaft haben, Dauer zu entfalten. Noch vor Auslauf der Legislatur-Periode im Jahr 2021, so steht es im Koalitionsvertrag, soll der neue Verwaltungs- und Depot-Trakt der Moritzburg begonnen werden, der nicht - was kein Vorteil ist - am Haus oder in dessen unmittelbarer Nähe, sondern im leer stehenden Untersuchungsgefängnis für Männer an der  Kleinen Steinstraße entstehen soll.

Und wie steht es um die durch den Pfusch am Bau verursachten Wasserschäden in den Kellergewölben in der Moritzburg? Bis 2017 sollte doch eine dreijährige Untersuchung beendet sein. Das sei sie auch, sagt Bauer-Friedrich. Es sei zu klären gewesen, ob die von  Schimmel befallene Crodel-Halle überhaupt noch für Kunstausstellungen zu nutzen und ob das Crodel-Wandbild ohne  Schäden vom Schimmel zu befreien sei. Beides sei möglich, sagt der Direktor.

Noch in diesem Jahr wolle man die Bauanträge stellen. Im nächsten Jahr könne dann mit der Rettung des Gewölbes begonnen werden. Vielleicht wird dieses noch vor dem neuen Depot fertig, in das dann die nun vorgestellte Sammlung aus dem Kuppelsaal verbracht werden soll.

Führungen im Saal

Die ersten Führungen durch den Kuppelsaal finden am 12. August um 11 und 15 Uhr statt. Eine nächste Führung wird am 19. August um 15 Uhr angeboten. Weitere öffentliche Führungen gibt es jeweils am 3. Samstag im Monat, 15 Uhr, statt. Für alle Führungen gilt: maximal zehn Teilnehmer. Kosten: 6 Euro, ermäßigt 4 Euro. Anmeldung erforderlich an der Museumskasse oder telefonisch (0345) 2125911.