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"Hart aber fair"-Kritik "Hart aber fair"-Kritik: Wenn die Kita-"Basteltanten" auf die Barrikaden gehen

Von Christine Meyer 18.05.2015, 21:30
Frank Plasberg
Frank Plasberg WDR/Klaus Görgen Lizenz

Köln - Bei „Hart aber fair“ fragte Frank Plasberg am Montagabend nach der Vereinbarkeit von Job und Familie. Anlass war der aktuelle Kita-Streik, aber schon schnell ging es um grundsätzliche Fragen: Sind auch Kleinkinder unter drei Jahren gut in der Betreuung aufgehoben? Warum ist eine gleichberechtigte Arbeitsteilung in den Familien so schwer umzusetzen?

In vielen Fragen ist sich die Studiorunde schnell einig: Pädagogische Fachkräfte verdienen zu wenig, der zweiwöchige Streik ist grundsätzlich gerechtfertigt, findet nicht nur Erzieherin Zita van Dijk. Auch Familienministerin Manuela Schwesig, Journalist und Buchautor Heinrich Wefing und Kinderärztin Maria Steuer bestätigen, dass der Beruf zu wenig Wertschätzung erfährt. Das ist selbst für die alleinerziehende Mutter und Streikbetroffene Petra Klawikowski nicht von der Hand zu weisen.

„Jeden Tag quietscht es“

Um Kinder und Berufsleben unter einen Hut zu bringen, sind Kitas unbedingt notwendig, und deren Rolle hat sich vollkommen verändert. Sie sind schon lange keine Verwahranstalt mehr. So singen auch viele Zuschauer ein Loblied auf liebevolle Erzieherinnen und individuelle Betreuung.

So viel Harmonie geht  dann aber doch zu weit. Denn „jeden Tag quietscht es“, wie Heinrich Wefing feststellt. Der Kita-Streik sei nur ein Faktor von vielen, die die eigentliche Unvereinbarkeit von Kindern und Karriere deutlich machten. Gehetzte Eltern strampeln sich jeden Tag ab, aber nicht nur von der Politik, sondern auch von vielen Unternehmen bekommen sie Knüppel zwischen die Beine geworfen. Wefings Systemkritik: zu wenig Teilzeitjobs, finanzielle Anreize der Politik an der falschen Stelle, alleingelassene Alleinerziehende.

„Betreuung kann man outsourcen, Liebe kann man nicht outsourcen“, daher wollten Eltern die bestmöglichen Erzieher für ihre Kinder, fasst Wefing – selber Vater - den Wunsch vieler Betroffener zusammen.

Streit um 24-Stunden-Kita

Als Plasberg zeigt, wie das Familienministerium eine 24-Stunden-Kita mit 100 Millionen Euro unterstützt, kommt die erste wirkliche Kontroverse an diesem Abend auf. Die Kinderärztin und zwichenzeitliche Vollzeit-Mutter Maria Steuer, eine Gegnerin der Betreuung für die Allerkleinsten, springt darauf an: Mütter sollten im Idealfall keinen Schichtdienst mache, die Arbeitswelt müsste umgestaltet werden, so dass dies nicht nötig sei. Schließlich holt Steuer mit der Moralkeule aus: „Sind die Kinder uns dies nicht wert?“

Wie weit diese Forderung an der Realität vorbeigeht, in der das Modell des Vaters als alleiniger Ernährer ausgedient hat, verdeutlicht Ministerin Schwesig – nach dem Einspieler vom „Spatzennest“ unter Rechtfertigungsdruck - am Beispiel von Ärzten und Polizisten.

Schon zuvor hatte Steuer Erzieherin van Dijk gegen sich aufgebracht, als sie erzählte, wie sie ihren eigenen Kindern nicht die in ihrer Darstellung traumatisierende Betreuung durch eine Tagesmutter zumuten wollte. Es sei völlig normal, dass Kinder beim Abschied von den Eltern weinten, entgegnet die erfahrene Erzieherin. Dies geschehe auch bei älteren Kindern. Und: „Je weniger ein Kind Trennung gewöhnt ist, desto schwerer wird es später auch in der Schule.“

Die streitbare Erzieherin fühlt sich auch von Plasberg mit einer älteren Studie aus dem Familienministerium provoziert, die sinngemäß besagt: Für Kinder aus der Unterschicht sind Kitas sinnvoll. Kinder aus gebildeten Familien haben es dagegen zuhause besser, da sie hier adäquater gefördert werden. Van Dijk findet ihren Berufsstand als „Basteltanten“ diskreditiert. Und auch Ministerin Schwesig distanziert sich von der Untersuchung, die offenbar in die Amtszeit ihrer Vorgängerin fallen. Damit ist der Übergang zu Kristina Schröder geschaffen: Die damalige Familienministerin verzichtete 2013 bewusst auf eine weitere Amtszeit, um sich ihren Kindern widmen zu können.

Ist Schröder nun ein Beispiel für die Unvereinbarkeit von Kind und Karriere? Strafte Schröder ihre eigene Politik Lügen? Obwohl das vor der Sendung aufgezeichnete Gespräch interessante Einblicke in den Arbeitsalltag in der Mühle der Politik gab – als Beispiel taugt Schröder kaum. Die wenigsten Mütter müssen acht Wochen nach der Geburt wieder Vollzeit arbeiten, und dies bei einer außergewöhnlichen zeitlichen und emotionalen Belastung.

Amtsnachfolgerin Schwesig tappte dann auch nicht in die Falle, die Entscheidung Schröders zu bewerten. Im Bewusstsein, dass Privates bei einem solchen Amt natürlich immer auch politisch sei, „respektiere“ sie den Schritt Schröders, formulierte Schwesig.