1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Hanns Cibulka: Hanns Cibulka: Unser Leben ist abendlich geworden

Hanns Cibulka Hanns Cibulka: Unser Leben ist abendlich geworden

Von Welf Grombacher 26.05.2004, 17:11

Halle/MZ. - Das dünne, aber sehr dichte Bändlein vereint in ausgewogener Komposition Notate mit Versen und ist so eine Art Extrakt aus Cibulkas bisherigem Werk. Das Diarium diente ihm selten dazu, die realen Dinge des täglichen Lebens auf Papier zu bannen. Vielmehr streicht der Dichter die Einträge zusammen und ordnet sie wie in seinen bisherigen Publikationen nach ästhetischen Prinzipien neu.

Reflexionen über das Alter und die Zeit herrschen vor. Im Bewusstsein, dass "das Wort, das handgeschriebene Manuskript, selbst das Leben" nur geliehen ist, bleibt ihm "nichts anderes übrig, als Nägel in die Nebelwand zu schlagen und die Bilder daran aufzuhängen". Sie bringen das Vergangene zurück. Und so lauscht er den Versen Rilkes und Hugo von Hofmannsthals und schaut den dahin gegangenen Jahren nach. "Unser Leben ist abendlich geworden, die Berührungspunkte mit dem Unsichtbaren nehmen zu."

Ein längerer Komplex im Zentrum des Buches kreist um das Castel del Monte, jene abweisende Festung in der apulischen Einöde, in der die drei Königssöhne des Manfred von Stauffen seit Kindheit an in Ketten festgehalten wurden. Ein weiterer Zyklus thematisiert in Versform die kriegerische Geschichte des Balkans und mündet am Ende beinahe in ein lobpreisendes Friedensgebet.

Immer noch ist Cibulka der kritische Beobachter. Immer noch beargwöhnt er, der nach der Veröffentlichung seines Tagebuch-Romanes "Swantow" der "erste Grüne der DDR" genannt wurde, die Massentierhaltung und das Abschmelzen der Pole. Doch seine Sätze haben nicht mehr diesen mahnenden Beiklang, diese aphorismenhafte Eindringlichkeit, die noch seinen schwächeren, letzten Texten anhaftete. Sie benennen mit knappen Worten Missstände, ohne zu moralisieren. Sie verdichten Wirklichkeit und lassen Raum für Fantasie.

So vermerkt er etwa zur Klimakatastrophe, welche "die Antwort der Natur auf die Habgier des Menschen" sei: "Unsere Augen sind blind für das Kommende, die denkerische Kraft im Menschen stag- niert, die dichterische schweigt. . ." Vielleicht mag man sich an Worten wie "denkerisch" stören.

Doch gerade diese machen Cibulkas Personalstil aus und verschaffen dem Autor so charakteristische Bodenhaftung. Zudem hebt der harmonisch-fließende Rhythmus die einzelne Formulierung auf und lässt ein einnehmendes Alterswerk entstehen. Oder um mit dem Schriftsteller selbst zu sprechen: "Es gibt Bücher, die sind für das Alter geschrieben, sie beginnen mit einem Gedankenstrich. . ."

Hanns Cibulka: Späte Jahre. Tagebuch-Notate, 79 Seiten, Reclam leipzig, 6,90 Euro